Der Drohnenkrieg gehört zu den wichtigsten Entwicklungen für die internationale Sicherheit im 21. Jahrhundert. Die Vereinigten Staaten haben Tausende von Drohnenangriffen durchgeführt – von den Angriffen auf nichtstaatliche Akteure wie Al-Qaida bis zur Militäroperation im vergangenen Januar, bei der der iranische Generalmajor Qasem Soleimani getötet wurde. Andere Staaten setzen bewaffnete Drohnen im eigenen Land ein: die Türkei gegen die Kurdische Arbeiterpartei, Nigeria gegen Boko Haram und der Irak gegen den Islamischen Staat (ISIS). Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate verüben in Libyen und im Jemen tödliche Drohnenangriffe. Noch in den vergangenen Wochen ist Aserbaidschan im Krieg mit Armenien mit bewaffneten Drohnen vor allem gegen Panzer und Artillerie vorgegangen – und das wohl äußerst wirksam.

Da die Zahl der bewaffneten Drohnen rapide zunimmt, ist es wahrscheinlich, dass die Drohnenkriegsführung in den kommenden Jahren noch stärker an Bedeutung gewinnen wird. Unsere Untersuchungen belegen, dass im Zeitraum von 2011 bis 2019 insgesamt 18 Staaten bewaffnete Drohnen angeschafft haben. Vor 2011 verfügten dagegen nur drei Länder über bewaffnete Drohnen: die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Israel.

Der rasante Anstieg der Drohneneinsätze fiel zeitlich mit Chinas Aufstieg zu einem der Hauptlieferanten zusammen. Von 2011 bis 2019 kauften 11 der von uns erfassten 18 Länder bewaffnete Drohnen aus China. Die USA hingegen exportierten bewaffnete Drohnen im gleichen Zeitraum nur in ein Land: Frankreich. Vor dem Hintergrund, dass bewaffnete Drohnen immer mehr Verbreitung finden und in Washington eine neue Regierung das Ruder übernimmt, werden die Vereinigten Staaten sich wohl einigen heiklen Fragen stellen und erklären müssen, ob und an wen sie ihre hoch entwickelte Drohnentechnologie verkaufen wollen.

Die Vereinigten Staaten besitzen die modernsten Drohnen der Welt und haben viele Kaufinteressenten – doch ein 1987 auf freiwilliger Basis eingeführtes Exportkontrollregime schränkt ihre Möglichkeiten zum Verkauf bewaffneter Drohnen erheblich ein. Geschaffen wurde dieses Raketentechnologie-Kontrollregime (Missile Technology Control Regime, MTCR) während des Kalten Krieges, um die Verbreitung von Raketen zu verhindern, die Massenvernichtungswaffen transportieren können. Im Rahmen dieses Kontrollregimes sind die Vereinigten Staaten verpflichtet, den Export von Trägersystemen der Kategorie I – das sind Systeme mit mehr als 300 Kilometer Reichweite und einer Nutzlastkapazität von mehr als 500 Kilogramm – weitestgehend zu vermeiden.

Die USA hinkten mit ihrem Markteinstieg hinterher, während China und andere Länder bereits angefangen hatten, bewaffnete Drohnen zu exportieren.

Das Raketentechnologie-Kontrollregime sollte Einwegraketen, aber keine Flugzeuge regulieren, doch 1987 wurden Drohnen eher mit Einwegraketen auf eine Stufe gestellt als mit Flugzeugen. Drohnen wurden damals in erster Linie konzipiert, um im Rahmen von Einwegmissionen die Präzision von Lenkwaffen zu testen oder Überwachungsmissionen mit sehr geringer Reichweite durchzuführen. Moderne Drohnen jedoch sind Flugzeugen sehr viel ähnlicher, da sie stunden- oder tagelang in der Luft bleiben und dann zur Basis zurückkehren können. Dennoch unterliegen sie derzeit noch den Auflagen des Raketentechnologie-Kontrollregimes von 1987. Daher hinkten die USA über weite Strecken des vergangenen Jahrzehnts mit ihrem Markteinstieg hinterher, während China und andere Länder in dieser Zeit angefangen haben, bewaffnete Drohnen zu exportieren.

Die Zurückhaltung hatte, auch wenn dies nicht beabsichtigt war, erheblichen Einfluss darauf, welche Länder in der Lage sind, sich bewaffnete Drohnen zu beschaffen. China behauptet, dass seine exportgeeigneten Drohnensysteme knapp unter dem Anwendungsbereich der Richtlinien für Kategorie I des Raketentechnologie-Kontrollregimes von 1987 lägen. Darüber hinaus ist China, obwohl es sich nach eigenen Angaben an diese Richtlinien hält, kein formelles Mitglied und kann daher die Märkte für seine Drohnenexporte freier wählen. Die meisten Abnehmer sind keine Demokratien. Von den elf Ländern, die bewaffnete Drohnen von China gekauft haben, wie etwa Ägypten und Usbekistan, waren im ersten Erwerbsjahr neun keine demokratischen Staaten. Insgesamt haben unsere Recherchen ergeben, dass im Zeitraum von 2011 bis 2019 bei Nicht-Demokratien der Wunsch, sich bewaffnete Drohnen zu beschaffen, achtmal so hoch war wie bei demokratischen Staaten.

Dass Nicht-Demokratien sich heutzutage häufiger bewaffnete Drohnen beschaffen, liegt unter anderem daran, dass China im Vergleich zu den Vereinigten Staaten Käufern weniger Beschränkungen für den Einsatz ihrer importierten Waffen auferlegt. Die Käufer können die Waffen somit nach ihrem Gutdünken einsetzen, selbst wenn dies gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte verstößt. Xu Guangyu, ein pensionierter Generalmajor der chinesischen Volksbefreiungsarmee, erklärte, China habe bei seinen Waffenverkäufen den großen Vorteil, dass es „anderen Staaten gegenüber keine Vorgaben in Bezug auf ihren Status und ihre Innenpolitik macht“.

Im Gegensatz dazu verlangten die Vereinigten Staaten in ihren Leitlinien für Drohnenexporte von 2015 – die vor dem Hintergrund der Richtlinien von 1987 und anderen Bestimmungen zum Transfer konventioneller Waffen die Voraussetzungen für US-Drohnenexporte klarstellten – von den Abnehmern ihrer Drohnen, dass sie „diese Systeme in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und insbesondere mit dem humanitären Völkerrecht und den internationalen Menschenrechtsnormen nutzen“ und keine „militärischen unbemannten Luftfahrzeuge“ für rechtswidrige Überwachungsmissionen oder unrechtmäßige Gewaltanwendung gegen ihre eigene Bevölkerung einsetzen. Sogar Frankreich als enger Verbündeter der USA musste einst die Zustimmung der US-Regierung einholen, um bewaffnete MQ-9 Reaper-Drohnen stationieren zu dürfen. Die Vereinigten Staaten behalten sich als Druckmittel die Möglichkeit vor, Ländern, die sich nicht an ihre Regeln halten, keine Ersatzteile und Munition mehr zu liefern.

China nutzt seine Drohnenexporte, um verteidigungspolitische Beziehungen mit Staaten auf der ganzen Welt aufzubauen.

Aus den genannten Gründen hat die Zahl der Drohnen aus China sehr viel stärker zugenommen als die der Drohnen aus den Vereinigten Staaten. Diese Schieflage blieb nicht folgenlos. Die US-Exportbeschränkungen für Drohnen verhindern nicht die Verbreitung der Waffen und benachteiligen dazu noch die demokratischen Verbündeten der Vereinigten Staaten gegenüber Nicht-Demokratien, wenn es um den Kauf bewaffneter Drohnen geht. Unterdessen nutzt China seine Drohnenexporte, um verteidigungspolitische Beziehungen mit Staaten auf der ganzen Welt aufzubauen, darunter auch mit Partnern der USA. So lehnten die Vereinigten Staaten beispielsweise Anfragen aus Jordanien, Irak, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien nach bewaffneten Drohnen ab. Daraufhin kauften diese Länder solche Drohnen aus China.

Als Reaktion auf diese unguten Dynamiken beschloss die Regierung von US-Präsident Donald Trump im Juli 2020, das Raketentechnologie-Kontrollregime von 1987 „neu zu interpretieren“. Drohnen, die sich mit Geschwindigkeiten von weniger als 800 Stundenkilometern fortbewegen, wie Predator und Reaper von General Atomics, werden jetzt als Systeme der Kategorie II eingestuft und können damit leichter exportiert werden. Nach diesem Kurswechsel informierte die Trump-Regierung den Kongress darüber, dass sie den Verkauf bewaffneter Drohnen an Taiwan und die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt hat. Außenminister Mike Pompeo und der damalige Verteidigungsminister Mark Esper drängten zudem Indien, bewaffnete Drohnen von den Vereinigten Staaten zu kaufen.

Amerikas Drohnenexportwünsche werden den Vorteil, den Nicht-Demokratien bislang auf dem Drohnenmarkt gegenüber Demokratien hatten, voraussichtlich zunichtemachen. Wahrscheinlich wird auch das Tempo der Proliferation insgesamt zunehmen. Andere potenzielle Anbieter wie die Türkei haben in den letzten Jahren ebenfalls ihre Absatzmengen gesteigert und werden zu einer stärkeren Verbreitung beitragen. So setzte beispielsweise Aserbaidschan bei seinen Luftangriffen gegen Armenien in der Türkei hergestellte Drohnen ein.

Obwohl Drohnenangriffe in naher Zukunft wohl an Häufigkeit zunehmen werden, weil immer mehr Staaten – und nichtstaatliche Akteure – sich bewaffnete Drohnen beschaffen, bleibt die weltweite Bedrohung, die von ihnen ausgeht, zumindest vorerst relativ gering.

Biden könnte einen Mittelweg einschlagen, indem er die Exporte wieder etwas stärker kontrolliert und gleichzeitig engen Verbündeten  den Zugang zu Drohnen erleichtert.

Wenn sie geortet werden, sind Drohnen der neuesten Generation im Vergleich zu bemannten Flugzeugen relativ leicht abzuschießen, da sie langsamer und weniger wendig sind und sich in der Regel nicht selbst verteidigen können. Der Iran, Syrien und die Huthi-Rebellen im Jemen haben US-Drohnen abgeschossen. Die heutigen Drohnen sind daher im umkämpften Luftraum nur begrenzt einsetzbar und in einem Konflikt zwischen Militärmächten mit hoch entwickelten Technologien möglicherweise nicht sonderlich effektiv. Für viele Streitkräfte sind Drohnenangriffe jedoch eine Gefahr, wie Armenien erfahren musste, als Aserbaidschan seine noch aus der Sowjet-Ära stammenden Luftabwehrsysteme angriff. Technologien, mit denen Drohnen sich selbst verteidigen, ausschwärmen und feindliche Abwehrsysteme zerstören können, könnten zudem diese Waffen in Zukunft noch wirkungsvoller machen.

Verschiedene Untersuchungen legen sogar nahe, dass der Einsatz von Drohnen in manchen Fällen zur Stabilität beitragen könnte. Experimentell durchgespielte Kriegsszenarien haben gezeigt, dass militärische Entscheidungsträger auf den Abschuss eines bemannten Flugzeugs eher mit aggressiven Gegenschlägen reagieren als auf den Abschuss einer unbemannten Drohne. Ein reales Beispiel hierfür lieferte Präsident Trump am 19. Juni 2019 mit seiner Entscheidung, auf Luftangriffe gegen den Iran zu verzichten, nachdem dieser eine 130 Millionen Dollar teure Aufklärungsdrohne vom Typ RQ-4 Global Hawk abgeschossen hatte. Zur Begründung seiner Entscheidung twitterte Trump, dass ein Vergeltungsschlag mit Luftangriffen „beim Abschuss einer unbemannten Drohne nicht verhältnismäßig“ sei.

Zwar weiß noch niemand, wie diese Militärtechnologie sich langfristig auswirken wird, aber eines ist gewiss: Der Geist ist aus der Flasche entwichen, und bewaffnete Drohnen sind dabei, sich rasant zu verbreiten. Die neue Biden-Regierung wird sich daher mit grundsätzlichen Fragen auseinandersetzen müssen, was die Proliferation von Drohnen angeht. Ein Präsident Joe Biden könnte die in der Obama-Ära festgelegten Ausfuhrbeschränkungen für US-Drohnen wieder einführen und den Markt einmal mehr China überlassen. Eine Biden-Regierung könnte aber im Gegenteil auch entscheiden, dass es kein Zurück mehr gibt, weil Drohnen zunehmend zum festen Bestandteil der Kriegsführung werden. Oder Biden könnte einen Mittelweg einschlagen, indem er die Drohnenexporte wieder etwas stärker kontrolliert und gleichzeitig engen Verbündeten – insbesondere wenn es sich um demokratische Staaten handelt – den Zugang zu Drohnen erleichtert.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf ForeignAffairs.com

Aus dem Englischen von Christine Hardung