Der Russland-Ukraine-Krieg geht ins vierte Jahr – und es beginnt eine neue Phase: das Bemühen um seine Beilegung. US-Präsident Donald Trump hat am 12. Februar mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert und anschließend die „unverzügliche“ Aufnahme von Verhandlungen über eine Beendigung des Krieges angekündigt. Im nächsten Schritt setzte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefonisch von seinem Entschluss in Kenntnis. Am 18. Februar trafen sich in Riad hochrangige Vertreter der USA und Russlands zu vorbereitenden Gesprächen und verständigten sich darauf, Verhandlungsteams zusammenzustellen und auf eine – so Außenminister Marco Rubio –„für alle Beteiligten akzeptable“ Einigung hinzuarbeiten.

Dieses Vorhaben wird sich als Herkulesaufgabe erweisen. Die Ausgangspositionen Kiews und Moskaus miteinander in Einklang zu bringen, scheint unmöglich. Selenskyj, der militärisch unterlegen ist und im Kampfgeschehen zusehends ins Hintertreffen gerät, hat mit Personalmangel und nachlassender Unterstützung durch den Westen zu kämpfen. Zuletzt gestand er bereits ein, dass die Ukraine nicht in der Lage sein werde, alle von Russland militärisch eroberten Gebiete des eigenen Landes zu befreien. Zugleich bleibt er fest entschlossen, die Ukraine als souveränen und unabhängigen Staat zu erhalten und keinem Waffenstillstand und keiner sonstiger Einigung zuzustimmen, wenn die Ukraine nicht als Schutz vor neuerlicher russischer Aggression verlässliche Sicherheitsgarantien erhält. Das setzt fast zwangsläufig voraus, dass die USA sich auch weiterhin für die Verteidigung der Ukraine engagieren.

Putin dagegen sieht sich auf einem guten Weg zur Unterwerfung der Ukraine, die er als Endziel anstrebt. Seine Truppen gewinnen langsam, aber stetig die Oberhand, auch wenn sie große Verluste an Mensch und Material hinnehmen müssen. Russlands Wirtschaft verkraftet die westlichen Sanktionen gut und ist in den vergangenen zwei Jahren um mehr als 3,5 Prozent gewachsen. Unter dem Eindruck der Orientierungslosigkeit, die im Westen herrscht, glaubt der Kreml, Trump wolle wieder normalere Beziehungen zu Russland aufbauen (und er verknüpfe damit die vergebliche Hoffnung, er könnte einen Keil zwischen Russland und China, den strategischen Hauptrivalen der USA, treiben). Bei dieser Sachlage sieht Putin keine Notwendigkeit, von seinen Maximalforderungen abzurücken, die er im Juni 2024 skizziert hat. Damals forderte er, die Ukraine dürfe nicht NATO-Mitglied werden und müsse anerkennen, dass die vier ukrainischen Provinzen, die Russland 2023 annektiert hat, sowie die Krim russisches Hoheitsgebiet seien (obwohl sich keine der vier Provinzen vollständig unter russischer Kontrolle befindet). Zudem verlangte er eine Entmilitarisierung und „Entnazifizierung“ der Ukraine (eine Umschreibung für die Installation eines russischen Marionettenregimes in Kiew) und die Aufhebung der westlichen Sanktionen.

Auch für Russland verändert sich allerdings derzeit einiges zum Schlechteren.

Auch für Russland verändert sich allerdings derzeit einiges zum Schlechteren. Für 2025 prognostiziert die Russische Zentralbank einen dramatischen Rückgang des Wirtschaftswachstums auf ein bis zwei Prozent. Die angespannte Arbeitsmarktsituation droht die schon jetzt zweistellige Inflation noch weiter in die Höhe zu treiben, und die Erfordernisse der Kriegswirtschaft sind zu einer schweren Belastung für die Konsumgüterproduktion geworden. Zudem fehlt es auch dem Kreml an Soldaten für den Fronteinsatz. Die Kosten für die Rekrutierung von Freiwilligen steigen inzwischen rapide. Die naheliegende Lösung wäre eine Generalmobilmachung, doch die weckt beim Kreml Befürchtungen vor negativen Reaktionen der Öffentlichkeit wie nach der Teilmobilmachung von 2023. Diese Probleme sind eine große Herausforderung, aber Putin geht davon aus, dass die Ukraine zusammenbrechen werde, bevor diese Probleme seine Fähigkeit zur Fortführung des Krieges gefährden könnten. Er vertraut darauf, dass die Zeit für ihn arbeite.

Putin sieht sich in einer Position der Stärke und ist auf dieser Basis zu Verhandlungen bereit. Einen Waffenstillstand, den die Ukraine nur nutzt, um aufzurüsten und den Krieg zu einem späteren Zeitpunkt wiederaufzunehmen, wird er nicht akzeptieren. Putin will einen Waffenstillstand im Rahmen einer umfassenderen Einigung, die auch das regelt, was er die „tiefer liegenden Ursachen“ des Konflikts nennt – nämlich die aus seiner Sicht ungerechte Ordnung, die nach dem Ende des Kalten Krieges einem damals strategisch geschwächten Russland aufgenötigt worden sei. Ein zentraler Bestandteil dieser Ordnung war die Osterweiterung der NATO, durch die Russland an den Rand Europas gedrängt und der zentralen Rolle beraubt wurde, die es in der Vergangenheit für die Geschicke Europa gespielt hatte – ein bleibender Affront gegen Russlands Selbstverständnis als Großmacht, die unbedingt als solche respektiert werden will.

Inzwischen ist Trump auf den Plan getreten und hat gelobt, den Konflikt zügig zu beenden, auch wenn er inzwischen einsieht, dass dies länger dauern wird als die von ihm im Wahlkampf versprochenen 24 Stunden. Priorität hat für ihn offenbar ein schneller Waffenstillstand, wobei Ungewissheit darüber besteht, ob ihm klar ist, wie schwer dies angesichts der ukrainischen und russischen Anforderungen zu bewerkstelligen sein wird. Unklar ist auch, ob er einen Plan für einen solchen Waffenstillstand hat – vermutlich eher nicht. Dennoch wird er in der für ihn typischen Manier versuchen, sowohl Selenskyj als auch Putin so unter Druck zu setzen, dass sie mit jedem Deal, den er am Ende anbietet, einverstanden sein werden.

Wir sollten nicht vergessen, dass Trump noch vor wenigen Wochen Putin scharf kritisiert hat.

Da Selenskyj der Schwächere ist, wird er dabei schlechter wegkommen, wie Trumps gehässige Tirade gegen den ukrainischen Regierungschef vor Kurzem deutlich gezeigt hat. Gegen jede Evidenz kanzelte er Selenskyj als Diktator ab und warf ihm vor, den Krieg provoziert zu haben. Zudem ermahnte er ihn, sich schnell auf die Sicherung des Friedens zu besinnen, wenn er sein Land nicht verlieren wolle. Diese Attacke, aber auch die Aussage von Verteidigungsminister Pete Hegseth, die USA würden höchstens eine Nebenrolle spielen, wenn es um Sicherheitsgarantien für die Ukraine gehe, und der scharfe Angriff des US-Vizepräsidenten J.D. Vance gegen Europas Eliten auf der Münchner Sicherheitskonferenz verheißen für die Ukraine nichts Gutes. Viele Kommentatoren sahen eindeutige Indizien, dass die Vereinigten Staaten die Ukraine und ihre traditionellen Verbündeten zugunsten Russlands fallen lassen könnten.

Trotzdem sind voreilige Schlüsse unangebracht. Die Situation ist komplizierter. Wir sollten nicht vergessen, dass Trump noch vor wenigen Wochen Putin scharf kritisiert hat. Kurz nach seiner Amtseinführung erklärte er, Putin zerstöre mit dem Krieg gegen die Ukraine das eigene Land und er mache seine Sache nicht gut. Trump drohte mit weiteren Sanktionen für den Fall, dass Putin den „lächerlichen“ Krieg nicht beende, und Pete Hegseth stellte klar, dass die USA den Ölpreis weiter drücken wollten, um Russlands Kriegsmaschinerie zu schwächen.

Hinzu kommt, dass die USA und die Ukraine momentan über eine Vereinbarung mit einem Volumen von 500 Milliarden Dollar verhandeln, die den Vereinigten Staaten Zugang zu den ukrainischen Rohstoffvorkommen verschaffen würde, darunter auch Seltene Erden, die für moderne Produktionsprozesse essenziell sind. Sollte dieser Deal zustande kommen, könnte er eine implizite Sicherheitsgarantie bedeuten, die zumindest den Schutz amerikanischer Investitionen beinhalten würde und die Kiew im Rahmen der entsprechenden Vereinbarung sicher ausdrücklich festschreiben wollen würde.

Die Europäer und Ukrainer täten natürlich gut daran, sich als Vorsichtsmaßnahme auf das Worst-Case-Szenario einzustellen.

Noch etwas: Entgegen den Befürchtungen der Europäer und der Ukrainer, ihr Ausschluss von den bilateralen Gesprächen zwischen den USA und Russland in Riad könnte bedeuten, dass die beiden Mächte über ihre Köpfe hinweg eine Beilegung des Konflikts aushandeln, will Washington bei der Vorbereitung auf weitere Gespräche mit Moskau seine Verbündeten und Partner konsultieren. In der vergangenen Woche reiste der US-Sondergesandte Keith Kellogg nach Kiew, um sich mit Selenskyj und anderen ukrainischen Regierungsvertretern zu beraten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer sprechen in dieser Woche mit Trump in Washington über den Weg zur Beendigung des Krieges. Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Michael Waltz, charakterisierte das amerikanische Vorgehen als „Pendeldiplomatie“, die der Erfahrung Rechnung trage, dass „vergangene Versuche, alle auf einmal an den Tisch zu bringen, nicht funktioniert haben“.

Um es in wenigen Worten zusammenzufassen: Die Situation ist im Fluss. Die Europäer und Ukrainer täten natürlich gut daran, sich als Vorsichtsmaßnahme auf das Worst-Case-Szenario einzustellen – also darauf, dass die Vereinigten Staaten sie im Regen stehen lassen. Welche Ressourcen können sie aufbieten, um die Ukraine im Spiel zu halten und eine befriedigende Lösung mitzugestalten? Welche neuen Ressourcen müssen sie nicht nur für den fortdauernden Krieg, sondern auch als Antwort auf die umfassendere Frage nach der zukünftigen Sicherheit Europas erwerben oder entwickeln? Zu lange haben Europäer und Ukrainer ihr Schicksal in amerikanische Hände gelegt. Das muss sich ab sofort ändern.

Dass das Worst-Case-Szenario eintritt, ist allerdings alles andere als ausgemacht. Es wäre absolut verfrüht, wenn Europa und die Ukraine ihre Bemühungen aufgeben würden, sich mit den Vereinigten Staaten wieder auf gemeinsame Ziele zu verständigen und die Schritte zur Erhaltung einer unabhängigen, souveränen Ukraine zu koordinieren, die sich langsam, aber stetig in die europäische Staatengemeinschaft integriert. Trotz der Besorgnis, die durch die jüngsten Aktionen der Amerikaner erregt wurde, ist dieses Ziel nach wie vor erreichbar, auch wenn der Weg zu diesem Ziel mehr Tücken hat, als früher angenommen.

Aus dem Englischen von Andreas Bredenfeld