US-Präsident Donald Trump unterzeichnete am 11. Juni eine Vollmacht, mit der US-Behörden Konten einfrieren und Einreisesperren verhängen können. Ziel der Sanktionen sind jedoch nicht wie üblich Mitglieder von Terrororganisationen oder Angehörige von menschenverachtenden Regimes – sondern Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs.

Die Strafmaßnahmen sind der bisherige Höhepunkt einer angespannten Beziehung zwischen den USA und dem Gericht im niederländischen Den Haag. Als das Römische Statut 1998 geschaffen wurde, unterzeichnete Präsident Bill Clinton den Gründungsvertrag des Gerichts zwar in den letzten Tagen seiner Amtszeit, ratifiziert haben ihn die USA jedoch nie. George W. Bush zog die Unterschrift wieder zurück und ermächtige US-Truppen, notfalls in die Niederlande einzumarschieren, um US-Bürger aus der Haftanstalt des Strafgerichtshof zu befreien. In Den Haag schmunzelte man über „The Hague Invasion Act“.

Bisher hatten die Maßnahmen gegen das Gericht vor allem symbolischen Charakter und waren Ausdruck der Unzufriedenheit in Washington. Unter Präsident Trump wurde aus dem Unbehagen jedoch regelrechter Hass. Der damalige Nationale Sicherheitsberater John Bolton kündigte 2018 an, die USA würden das Gericht nicht unterstützen, sondern sterben lassen, und drohte mit konkreten Strafmaßnahmen. Im vergangenen Jahr wurden Visabeschränkungen gegen Chefanklägerin Fatou Bensouda verhängt. Mit den nun angekündigten Maßnahmen sollen alle Mitarbeiter und deren Familien gestraft werden, die an den Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in Afghanistan mitarbeiten.

Das Verfahren, bei dem auch mögliche Verbrechen von amerikanischen Soldaten und CIA-Mitarbeitern untersucht werden, wird in Washington als Grund für die Sanktionen genannt. Die Furcht, amerikanische Staatsbürger könnten von einem internationalen Gericht angeklagt werden, sitzt tief. Die Verhinderung solcher Anklagen ist zu einem Grundprinzip amerikanischer Außenpolitik geworden.

Die üblichen Mittel von Regierungen, um beispielsweise mit gezielter Finanzierung den eigenen Interessen Nachdruck zu verleihen oder bei Missfallen Gelder zu streichen, greifen beim Strafgerichtshof nicht.

Die wahre Ursache für die Feindseligkeit und das Misstrauen in Washington gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof liegt jedoch tiefer. Die USA, besonders unter Präsident Trump, unterstützen internationale Organisationen, solange sie ein gewisses Maß an Kontrolle über deren Arbeit ausüben können, beispielsweise über die Finanzierung. So wurden beispielsweise die Mittel für das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) gekürzt, unter anderem weil die US-Regierung und die UN-Organisation unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, wem geholfen werden soll.

Wenn sich Organisationen dem Druck nicht beugen, bleibt immer noch der Austritt. In den vergangenen Jahren haben die USA deshalb bereits die UNESCO und den UN-Menschenrechtsrat verlassen und die Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgekündigt.

Der Internationale Strafgerichtshof arbeitet jedoch anders. Die üblichen Mittel von Regierungen, um beispielsweise mit gezielter Finanzierung den eigenen Interessen Nachdruck zu verleihen oder bei Missfallen Gelder zu streichen, greifen beim Strafgerichtshof nicht. Er ist keine bloße internationale Organisation, sondern auch Gericht. Mitgliedsstaaten sind in der Versammlung der Vertragsparteien vertreten, wo über den Haushalt bestimmt wird und Richter und Ankläger gewählt werden. Die Versammlung wird von denselben Dynamiken beherrscht wie jede andere internationalen Organisation, von Auseinandersetzungen über Budgeterhöhungen oder der Verteilung von Posten.

Auf den anderen Teil der Organisation – die Arbeit des Gerichts – hat die Versammlung der Vertragsparteien jedoch keinen Einfluss. Die Anklägerin entscheidet selbst, welche Verfahren sie eröffnet, wo sie ihre Ermittler einsetzt und welche Personen sie anklagt. Selbst als Mitgliedsstaat hätten die USA deshalb keinen Einfluss auf das Afghanistan-Verfahren.

Die USA versuchten, mit so viel Ländern wie möglich bilaterale Verträge abzuschließen, die die Überstellung von amerikanischen Staatsbürgern verbaten. Über 100 solcher Verträge wurden geschlossen.

In den vergangenen Jahren versuchten Washington, trotzdem Kontrollmöglichkeiten zu schaffen. Das Römische Statut enthält eine Klausel, wonach Mitgliedsländer nicht mit dem Gericht zusammenarbeiten müssen, wenn sie damit eine andere internationale Verpflichtung verletzen würden. Die USA versuchten deshalb, mit so viel Ländern wie möglich bilaterale Verträge abzuschließen, die die Überstellung von amerikanischen Staatsbürgern verbaten. Über 100 solcher Verträge wurden geschlossen, hauptsächlich jedoch mit afrikanischen und kleinen Ländern.

Beim Strafgerichtshof fehlt es Regierungen nicht nur an Kontrollmöglichkeiten. Auch das ultimative Mittel eines Austritts wie bei anderen Organisationen steht nicht zur Verfügung: Das Römische Statut ermächtigt das Gericht, auch Verbrechen zu untersuchen, die mutmaßlich von Bürgern von Nicht-Mitgliedsländern begangen wurden. Vor dem Gericht in Den Haag können Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression geahndet werden, die auf dem Grundgebiet eines der derzeit 123 Mitgliedsstaaten begangen wurden – unabhängig von der Nationalität des mutmaßlichen Täters. So können auch US-Bürger ins Visier der Ermittler geraten.

Die USA ziehen die Legitimität und die Legalität dieses Prinzips in Zweifel, weil es die Souveränität von Ländern verletze. Dass es inzwischen völkerrechtlich akzeptiert ist und auch bei anderen internationalen Gerichten Anwendung fand, scheint jedoch für die Argumentation der Trump-Regierung keine Rolle zu spielen.

Die Regierung erhöht nun den Druck und versucht mit Sanktionen, den Strafgerichtshof zu zähmen und die Kontrolle zu gewinnen. Bisher haben die Maßnahmen jedoch vor allem scharfe Kritik provoziert.

In den vergangenen Jahrzehnten waren die USA oft Fürsprecher internationaler Gerichtsbarkeit. Sie unterstützten beispielsweise die UN-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien, für Ruanda und für Sierra Leone, die nach den Balkankriegen, dem Völkermord in Ruanda und dem Bürgerkrieg in Westafrika in den 1990er und 2000er Jahren geschaffen wurden. Auch diese Tribunale konnten Ausländer verfolgen.

Ein wesentlicher Unterschied zum Internationalen Strafgerichtshof jedoch war ihr beschränktes Mandat. Die Tribunale ermittelten nur innerhalb eines zeitlich und geografisch abgesteckten Rahmens, den der UN-Sicherheitsrat vorgab. Der Strafgerichtshof dagegen kann alle internationale Verbrechen nach 2002 auf dem Gebiet seiner Mitgliedsstaaten untersuchen. Das einzig legale Mittel, die Arbeit des Gerichts einzuschränken, besitzt der UN-Sicherheitsrat, der durch die Verabschiedung einer Resolution anordnen kann, ein Ermittlungsverfahren für maximal zwölf Monate auszusetzen.

Das Gericht entzieht sich also weitgehend der Kontrolle von Regierungen. In Washington sorgt dies für Nervosität und vor allem für Ärger. Die Regierung erhöht nun den Druck und versucht mit Sanktionen, den Strafgerichtshof zu zähmen und die Kontrolle zu gewinnen. Bisher haben die Maßnahmen jedoch vor allem scharfe Kritik provoziert.