In den ersten Wochen von Donald Trumps zweiter Amtszeit überschlagen sich in den USA die Ereignisse. Zölle werden erhoben und wieder ausgesetzt, Drohungen ausgesprochen und wieder zurückgenommen, Hilfsgelder eingefroren und wieder freigegeben. Vor allem in der Außenpolitik dreht sich das Positionskarussell nahezu täglich in eine andere Richtung: Heute nennt man den ukrainischen Präsidenten Selenskyj einen Diktator, morgen will man ihn für ein Rohstoffabkommen gewinnen, übermorgen putzt man ihn vor der versammelten Hauptstadtpresse herunter und kurz darauf lobt man sein Entgegenkommen und gibt vor, es hätte nie eine Eskalation gegeben. Noch ist nicht klar, ob dieser Wahnsinn Methode hat. Handelt es sich um kalkulierte Strategie (Parallelen zu Richard Nixons madman theory liegen auf der Hand) oder um bloße Improvisation? Tatsache ist jedenfalls, dass Trump aus den Fehlern der ersten Amtszeit gelernt hat und seiner zuvor oft folgenlosen Rhetorik vermehrt Taten folgen lässt. Vielleicht das beste Beispiel für diese neue Handlungsfreude ist das per Dekret eingerichtete Department of Government Efficiency (DOGE).

Das DOGE, dieses amorphe Quasi-Ministerium unter der ebenso vagen Quasi-Führung von Elon Musk, soll den umfangreichen Regierungsapparat der USA entschlacken und Regulierungen abbauen. „The People Voted for Major Reform“, heißt es dazu auf der agentureigenen Homepage, die trotz Schirmherrschaft des Tech-Milliardärs Musk seltsam laienhaft wirkt. Ganz im Gegensatz zu den Einsparungen, die dort im Detail dokumentiert sind: Über 5 300 Verträge seien gekündigt, mehr als 7 400 Förderbescheide zurückgezogen und knapp 800 angemietete Immobilien aufgegeben worden. Auch wenn man gut daran tut, diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen, so zeigt der zunehmende Widerstand doch, dass sie nicht ganz aus der Luft gegriffen sind.

Am Ende musste gar Trump – selbst nicht für die feine Klinge bekannt – Musk öffentlich zum Wechsel der Werkzeuge mahnen.

Dass das DOGE als brainchild des Multiunternehmers Musk von Beginn an einen schweren Stand hatte, überrascht freilich kaum. Und dass die Kostensparer mit unnötiger Grobheit ans Werk gingen, ist dieser Tage guter Konsens. Mögen manche Einsparungen auch vernünftig erscheinen, so wurde bei anderen augenscheinlich weit über das Ziel hinausgeschossen: Die Kündigung von Mitarbeitern der dem Energieministerium unterstellten National Nuclear Security Administration war eine Bizarrerie und wurde kurz nach Bekanntgabe auch wieder zurückgenommen. Gleiches gilt für die ebenfalls zurückgenommene Mittelkürzung für ein Krebsforschungsvorhaben. Am Ende musste gar Trump – selbst nicht für die feine Klinge bekannt – Musk öffentlich zum Wechsel der Werkzeuge mahnen. Weniger Axt, mehr Skalpell sei das Gebot der Stunde. Oder anders gesagt: Nur da reingrätschen, wo es inhaltlich vertretbar ist.

Eine Demarche, der man kaum widersprechen kann, die aber auch Anlass für eine differenzierte Betrachtung gibt. Denn ebenso wenig wie alles Gold ist, was glänzt, ist alles falsch, nur weil ein unbeliebter Milliardär dabei handwerkliche Schnitzer begeht. Im Gegenteil: Die Idee hinter dem DOGE verdient eine ernsthafte Diskussion. Nicht obwohl, sondern gerade weil sie so disruptiv ist und einen Hauch Silicon Valley durch den fettgewordenen Regierungsapparat bläst. Was spräche auch grundsätzlich gegen eine Agentur, die den Behörden auf die Finger schaut? Die versucht, Verschwendung zu minimieren? Und die dazu beiträgt, Prozesse tatsächlich effizienter zu gestalten? Wenn Robert Habeck den Kauf von Luxusmöbeln für sein Ministerium unterbindet, erntet er dafür Applaus. Doch gibt es auch in Deutschland weit schlimmere Ausgabesünden, die deutlich schwerer wiegen, darunter bröckelnde Betonshelter, ein stillgelegter Schornstein oder eine Hamburger Edeltoilette mit je siebenstelligen Preisschildern. Gar nicht zu sprechen von den Milliardengräbern beim Flughafen BER und anderen Großprojekten. In all diesen Fällen hätte eine Spur DOGE vermutlich nicht geschadet.

Dass Musk trotz aller Kritik einen Punkt hat, lässt sich auch daran ablesen, dass sein Feldzug gegen die Bürokratie beim Durchschnittsamerikaner keineswegs so unbeliebt ist, wie man glauben könnte. Selbst angesichts einer negativen Berichterstattung und weit verbreiteter Antipathie bewegt sich die Zustimmung zum DOGE zwischen 40 und 45 Prozent, wobei die Unterstützung für das dahinterstehende Prinzip noch einmal deutlich höher liegt. Laut einer Harvard/Harris-Umfrage aus dem Februar befürworten rund 69 Prozent das Ziel, eine Billion Dollar einzusparen; 70 Prozent sehen in Betrug und Misswirtschaft ein ernsthaftes Problem für den Staatshaushalt; und 72 Prozent begrüßen grundsätzlich das Konzept einer Effizienzinitiative. Erwartungsgemäß macht man sich also nicht nur Feinde, wenn man das grandseigneurale Ausgabeverhalten in den Ministerien zur Sprache bringt – und noch weniger, wenn man den Rotstift bei Posten ansetzt, deren Nutzen man ohnehin nur mit langem Anlauf erklären kann. Zumal in den USA mehr als anderswo die Auffassung herrscht, dass der Staat Steuermittel vor allem zur Erfüllung seiner Kernaufgaben einzusetzen habe. Für Polizei und Militär zahlt man gern, für teure Workshops und bürokratische Extrawürste aber nicht. Man muss kein Libertärer sein, um hier für die Zukunft einiges an Stimmenpotenzial auszumachen.

Nicht minder wichtig als die Effizienz ist indes die Transparenz.

Nicht minder wichtig als die Effizienz ist indes die Transparenz. Eine Regierung steht schließlich nicht nur in der Pflicht, das Geld ihrer Bürger mit Bedacht auszugeben; sie muss auch offenlegen, wofür sie es verwendet. Der DOGE-Ansatz, mit seiner kleinteiligen (wenn auch nicht immer ganz korrekten) Auflistung von Kürzungen, kommt diesem Ideal bereits recht nahe. Zumindest steht er in positivem Kontrast zur deutschen Haushaltsszenerie, wo mithilfe von Sondervermögen hunderte Milliarden an Infrastrukturausgaben aufgetürmt werden, ohne dass jemand sagen könnte, was genau darunter zu verstehen ist. Neben Investitionen in Straßen und Häfen wohl auch Ausgaben für Bildung, Soziales und Gesundheit sowie die neuerdings angedachten 100 Milliarden für den Klimaschutz. Verkehrte Welt: Im Mutterland der schwarzen Null werden Milliardenbeträge im Schweinsgalopp durch die Gremien gepeitscht, während man sich im sonst so ausgabeaffinen Amerika neuerdings für jede Beratungsleistung rechtfertigen muss.

Nimmt man zu all dem noch den Aspekt der Deregulierung, stößt man dieser Tage auch in Wirtschaftskreisen auf die Ansicht, der alte Kontinent könne noch einiges aus Übersee lernen. So sprach sich etwa der Telekom-Vorstandsvorsitzende Timotheus Höttges jüngst für eine europäische Variante des DOGE aus. Seine Branche leide seit langem unter der Regulierung durch 270 verschiedene Behörden mit Mitsprachebedarf in Telekommunikationsfragen. Und auch Patrick Pouyanné, Vorstandschef des französischen Energiekonzerns Total Energies, stieß bei einer Veranstaltung des Council on Foreign Relations  ins gleiche Horn. Über die Inhalte des DOGE-Programms mag man also streiten; es lässt sich aber kaum leugnen, dass Musk damit eine Debatte angestoßen hat, die auch in Europa auf fruchtbaren Nährboden fallen kann. Denn gerade in Zeiten übermächtig erscheinender Herausforderungen ist es kein weiter Weg zur Staatsskepsis und von dort wiederum nicht weit zum Dauermisstrauen in einen nur selten als bürgernah empfundenen Behördenapparat. Umso interessanter stellt sich der Blick in die Zukunft dar, denn zumindest in den USA sollten die Kostendrücker ihre Arbeit bis 2026 abgeschlossen haben. Doch je nachdem, wie es um die öffentliche Meinung (und nicht zuletzt auch das Verhältnis Trump/Musk) bestellt ist, kann DOGE auch schon früher ein Ende finden. Oder im Gegenteil eine stärker institutionalisierte Form annehmen und auf Dauer gestellt werden.