Die globale Klimakonferenz (COP28) fand zum zweiten Mal in Folge in der Wüste eines autoritären Staates statt, diesmal in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Der Blick auf die künstlich angelegten Inseln Dubais und die künstlich bewässerten Pflanzen auf dem COP-Gelände hätten kaum symbolträchtiger sein können. Denn erneut wird mit den Ergebnissen der Klimakonferenz das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens nur künstlich am Leben erhalten, während Inselstaaten weiter um ihr Überleben bangen. Dennoch wird das in der vergangenen Woche verabschiedete COP-Abschlussdokument, auch United Arab Emirates Consensus genannt, von vielen als „historisch“ eingestuft. Wie können historischer Erfolg und Kollektivversagen so nah beieinander liegen?

Zum ersten Mal hat sich die Staatengemeinschaft auf eine Abkehr von fossilen Energieträgern („transitioning away from fossil fuels“) geeinigt. Angesichts der Widerstände von öl- und gasproduzierenden Staaten sowie aufstrebenden Schwellenländern wie China und Indien, kann dies als kleiner historischer Schritt gewertet werden, der lange überfällig war. Gemessen an der diesjährigen Bedeutung der COP mit ihrer globalen Bestandsaufnahme sowie an den Forderungen vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen und Wissenschaftler nach einem vollständigen Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern („fossil fuel phase-out“), für den sich auch mehr als 100 Staaten ausgesprochen hatten, ist das Ergebnis jedoch ein historisches Versagen. Der Abschlusstext enthält keine konkreten Maßnahmen oder verbindlichen Ziele, wie die globalen Emissionen gesenkt beziehungsweise der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern schnellstmöglich gestaltet werden soll.

Stattdessen finden sich besorgniserregende Schlupflöcher und Scheinlösungen, wie die Rolle von Erdgas als Übergangslösung, der Einsatz von Atomkraft sowie die Speicherung und Abscheidung von CO2-Emissionen, welche das fossile Zeitalter künstlich in die Länge ziehen und das 1,5-Grad-Ziel in unerreichbare Ferne rücken könnten.

Wie können historischer Erfolg und Kollektivversagen so nah beieinander liegen?

Die jährliche Achterbahnfahrt zwischen Frustration und Hoffnung verlief im Vergleich zum letzten Jahr in die entgegengesetzte Richtung. Nach zweiwöchigen aussichtslosen Verhandlungen bei der COP27 war die Einigung für einen Loss & Damage Fonds am Ende ein Durchbruch, der als historischer Meilenstein für Klimagerechtigkeit gefeiert wurde. An diesen Erfolg wurde bereits am ersten Tag der COP28 mit der überraschenden Startfinanzierung des Fonds durch finanzielle Zusagen Deutschlands und der Vereinigten Arabischen Emirate angeknüpft. Es ist bemerkenswert, dass mit den VAE zum ersten Mal ein Land, das 1992 in der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) noch als Entwicklungsland eingestuft wurde, nun als Geberland in einen UN-Fonds einzahlt. Damit wurde ein wichtiges Signal für reiche Schwellenländer mit mittlerweile hohen Emissionen gesetzt, wie zum Beispiel China, sich nicht als „Entwicklungsland“ hinter dem Prinzip der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“ zu verstecken. Angesichts großer Finanzierungslücken, zum Beispiel bei der Klimaanpassung, wird es in Zukunft darauf ankommen, dass reiche Länder mit hohen Emissionen neben den Industrieländern einen Beitrag zur Klimafinanzierung leisten.

Nach dem ersten Überraschungscoup baute sich über zwei Wochen hinweg zwischen Verhandlungsräumen, Länder-Pavillons und schattigen Plätzen unter bewässerten Palmen ein seit 2015 nicht mehr dagewesenes Gefühl der Hoffnung auf. Ein multilateral vereinbarter fossiler Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas schien in greifbarer Nähe zu sein. Doch dann legte COP-Präsident Sultan Ahmed Al-Jaber am vorletzten Tag der Konferenz plötzlich einen Beschlussentwurf vor, der den entscheidenden Ausstiegspassus aus vorherigen Versionen nicht mehr enthielt und somit die schlimmsten Befürchtungen aus dem Vorfeld der COP bestätigte: dass die Profitinteressen von fossilen Industrien auf einer COP unter dem Vorsitz eines Ölmanagers am Ende besser geschützt werden als die von der Klimakrise am stärksten betroffenen Länder und Menschen der Welt.

Deutschland und die EU bezeichneten den Entwurf als inakzeptabel. Der ehemalige US-Vizepräsident und Klimapolitiker Al Gore kritisierte, der Text klinge, als hätte ihn die Organisation erdölexportierender Staaten OPEC Wort für Wort diktiert. War der COP-Präsident unter dem Druck der Ölstaaten, allen voran Saudi-Arabien, eingeknickt oder handelte es sich um einen taktischen Zug, um – nach einer Welle der Empörung vieler Länder – jegliche Verbesserungen am Text als Verhandlungserfolg verkaufen zu können?

Der vermeintliche Erfolg des Abschlussdokuments beinhaltet schließlich neben der Abkehr von fossilen Energieträgern immerhin die Einigung auf die Verdreifachung der Erneuerbaren Energien und die Verdoppelung der Energieeffizienz bis 2030. Es bleibt der Widerspruch, dass die wissenschaftliche Notwendigkeit für eine globale Emissionsreduktion um 43 Prozent bis 2030 gegenüber 2019 im Text zwar anerkannt wird und die Staaten aufgefordert werden, Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Gleichzeitig aber wird weder der dafür notwendige Ausstieg aus allen fossilen Energien erwähnt – Erdgas und Öl werden im Text nicht einmal erwähnt –, noch wird ein verbindliches Enddatum für die Produktion und Nutzung fossiler Energien festgelegt.

Hinter diesem kollektiven Versagen steht auch ein alter Konflikt zwischen Industrieländern und einkommensschwächeren Ländern des Globalen Südens.

Hinter diesem kollektiven Versagen steht auch ein alter Konflikt zwischen Industrieländern und einkommensschwächeren Ländern des Globalen Südens. Letztere hatten während der Verhandlungen immer wieder deutlich gemacht, dass ein vollständiger Ausstieg aus fossilen Energieträgern für sie nur mit ausreichenden Mitteln zur Umsetzung der Transformation möglich sei. Die Industrieländer kamen ihrer historischen Verantwortung für technische und finanzielle Unterstützung erneut nicht ausreichend nach und versäumten, durch verbindliche Zusagen dringend notwendiges Vertrauen und Glaubwürdigkeit aufzubauen. So konnten auch beim globalen Ziel der Klimaanpassung (Global Goal on Adaptation) keine wesentlichen Fortschritte erzielt werden, da sich reichere Länder gegen messbare Ziele und starke finanzielle Mittel im Abschlusstext aussprachen.

Glaubwürdigkeit und Vertrauen erfordern neben ausreichender Finanzierung durch die Industrieländer auch, dass diese mit gutem Beispiel vorangehen und klaren Worten auch Taten folgen lassen. Als Teil der „High Ambition Coalition“ (HAC), die sich für ehrgeizige Klimaschutzziele und den klaren Ausstieg aus fossilen Energien ohne großflächige Nutzung von CCS-Technologien einsetzt (Carbon Capture and Storage, die Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund), hat Deutschland dieses Jahr leider gemischte Signale gesendet. Die letzten gemeinsamen Forderungen der HAC hat Deutschland nicht unterschrieben. Denn im Kanzleramt scheint die Sorge um die Gasversorgung größer als die um das 1,5-Grad-Ziel, während man sich in der Ampel-Koalition über die Rolle von CO2-Speicherung und -Abscheidung uneinig ist.

Dieses zögerliche Verhalten könnte die Verhandlungsmacht der HAC als Gegengewicht zu den öl- und gasproduzierenden Ländern geschwächt haben. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung auf der nächsten COP mit ihrer neu veröffentlichten Klimaaußenpolitik-Strategie auftreten wird, in der CCS erlaubt und die öffentliche Förderung fossiler Projekte im Ausland unter „ergänzenden Ausnahmeregelungen“ möglicht ist.

Über 2 400 Lobbyistinnen und Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas hatten Zugang zur Klimakonferenz.

So wie das Ergebnis war die gesamte Klimakonferenz in einem autoritären Öl-Staat unter Vorsitz des CEO eines Ölkonzerns von gewaltigen Gegensätzen und Widersprüchen geprägt: Der Weg zur Klimakonferenz im öffentlichen Nahverkehr bot jeden Morgen den Blick auf Wolkenkratzer, Asphalt und den durch Öleinnahmen finanzierten Reichtum. Ausgerechnet am Gesundheitstag der COP, der dieses Jahr zum ersten Mal stattfand, war Dubais glitzernde Skyline von einer Smogdecke umhüllt. Auf dem Gelände der Klimakonferenz angekommen, welches nur elf Kilometer entfernt von dem weltweit größten mit Gas betriebenen Kraftwerk (Jebel Ali Power and Desalination Complex) lag, warteten wiederverwendbare Wasserflaschen, Papierstrohhalme und veganes Essen auf die Teilnehmenden.

Nur auf dem COP-Gelände, welches unter dem Schutz der Vereinten Nationen stand, waren Klimaproteste möglich. Die Meinungsfreiheit endete an der Einlasspforte. Der Inselstaat Palau hatte zum ersten Mal einen eigenen Pavillon, in dem Menschen erzählten, wie Orte ihrer Kindheit im Wasser versinken. Während kleine Insel-Entwicklungsländer – die am wenigstens zur Klimakrise beigetragen haben, aber am stärksten unter ihren Folgen leiden – auf der COP Sichtbarkeit erlangten, bekamen gleichzeitig über 2 400 Lobbyistinnen und Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas Zugang zur Klimakonferenz.

Diese Widersprüche und Interessenkonflikte gefährden die Glaubwürdigkeit von Klimakonferenzen. Nächstes Jahr findet die COP29 in Aserbaidschan statt: zum dritten Mal in Folge in einem autoritären Staat und erneut in einem Land, das seinen Wohlstand Öl und Gas verdankt.

Wie geht es jetzt weiter? Alle Länder müssen nun ihre Hausaufgaben machen und bis 2025 ihre nationalen Klimaschutzbeiträge erhöhen sowie Maßnahmen zu ihrer Umsetzung verstärken. Die bisher unzureichende Klimafinanzierung und die Beiträge für die Zeit nach 2025 werden nächstes Jahr auf der COP29 in Aserbaidschan im Mittelpunkt stehen. Es ist an der Zeit, die zukünftige Vergabe des Gastgeberlandes und der COP-Präsidentschaft zu überdenken, um Interessenkonflikte zu vermeiden und die Zivilgesellschaft vor möglichen Repressalien zu schützen. Die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) hat kürzlich bekräftigt, dass zukünftige Gastgeber die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und die Menschenrechte einhalten sollen. Neue Regelungen und Rechenschaftsmechanismen für Interessenkonflikte sind dringend notwendig sowie die Verpflichtung, das Abkommen zwischen UNFCCC und Gastgeberland öffentlich zu machen. Dies wären wichtige Maßnahmen, um Widersprüche zu verringern und die Glaubwürdigkeit der internationalen Klimapolitik zu stärken.