Die Vereinten Nationen wurden vor 70 Jahren gegründet. Sie sollten eine Weltordnung mit verlässlichen Regeln darstellen – das System einer normativen Ordnung. Als solche stellt die Organisation eine zivilisatorische Errungenschaft dar, die es immer wieder neu zu verteidigen und weiterzuentwickeln gilt.

Die politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre belegen, dass die Vereinten Nationen in ihrer jetzigen Form hinter den Erfordernissen zurückbleiben, die sie in Bezug auf kollektives Handeln und als Garantie einer regelbasierten Weltordnung erfüllen müssten. Die Bundesregierung sollte deshalb alles tun, um die bestehenden UN-Strukturen aktiver zu nutzen, dadurch die Organisation zu stärken und vor allem auch dafür zu sorgen, dass die Regeln des Völkerrechts nicht durch immer wieder kehrende ad hoc „Koalitionen der Willigen“ gebrochen werden.

Auch im 70. Jahr nach Gründung der Organisation gilt es, die Errungenschaften der internationalen Rechtsordnung auszubauen und der Verletzung universell vereinbarter Normen glaubwürdig entgegen zu treten. Deutschland muss sich systematisch und umfangreich an ziviler Konfliktbearbeitung beteiligen. Die europäischen Staaten müssen offen sein für die Aushandlung globaler Politiken, bei denen die Zustimmung der Länder des globalen Südens gesucht werden muss, ohne grundlegende Menschenrechte zu relativieren.

Eine Organisation, die den Erfordernissen einer wirklich globalen Weltordnung entspricht, braucht eine Reform des UN-Sicherheitsrates. Im höchsten Gremium der Weltgemeinschaft sollten dabei vor allem regionale Gruppierungen (Afrika, Lateinamerika) vertreten sein. Das schließt die Europäische Union ein, die im UN-Sicherheitsrat ebenfalls mit einem Sitz repräsentiert sein sollte.

Eine Organisation, die den Erfordernissen einer wirklich globalen Weltordnung entspricht, braucht eine Reform des UN-Sicherheitsrates!

Vor allem darf der UN-Sicherheitsrat nicht beständig durch die Vetomächte in seinen Entscheidungen blockiert werden. Zumindest eine Möglichkeit der Reform sollte verwirklicht werden, nämlich ein Übereinkommen des Verzichts auf ein Veto im Falle eines drohenden Völkermordes. Eine Möglichkeit zu verhindern, dass sich als kollektive Friedenssicherung autorisierte Militäreinsätze in Kriege der intervenierenden Staaten verwandeln, wäre die Assignierung nationaler Truppen(teile) an den UN-Generalsekretär. Damit würde dieser Gefahr und auch dem Problem der langwierigen Vorbereitungen und Entscheidungsprozesse entgegengewirkt.

Hierzu gehört auch die Weiterentwicklung des Konzepts der Schutzverantwortung. Hier geht es darum, systematische Maßnahmen zu ergreifen, um Konflikte mit Eskalationspotential schon im Vorfeld bekämpfen zu können. Konkret sollte hierzu ein „Focal Point“ in der Bundesregierung eingerichtet werden analog zum „Atrocities Prevention Board“, das die USA im Jahr 2012 verwirklicht haben. Dessen ungeachtet sollte Deutschland in jedem Fall seine finanzielle und personelle Beteiligung an UN-Friedensmissionen ausweiten – auch als Signal zur Stärkung der Legitimität der Vereinten Nationen.

 

Nachfolgeregeln der Milleniumsentwicklungsziele

In einer Welt, in der Unordnung, Gesetzlosigkeit und Gewalt wachsen, kann die Vereinbarung bindender globaler Regeln, die im September 2015 von der UN-Generalversammlung beschlossen werden sollen friedensstiftend wirken: Es geht um die Nachfolgeregeln der Milleniumsentwicklungsziele.

Die 17 Oberziele der Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Develepment Goals, SDGs) sind universell gültig, also auch für die Industrieländer bindend. Zu ihnen zählen das Ziel der vollständigen Abschaffung der Armut, die Verwirklichung von Decent Work, der Kampf gegen den Klimawandel und seine Auswirkungen, Gesundheitssicherung, der Kampf gegen Pandemien, die Reduzierung der Ungleichheit auch innerhalb der Gesellschaften und der Zugang zu nachhaltiger moderner Energie für alle. Doch die neuen Ziele müssen auch finanziert werden. Für die Industrieländer würde das bedeuten, die internationalen Regeln und Bewertungsstandards auf ihre Übereinstimmung mit den SDGs zu überprüfen. Diese globalen Regeln und Bewertungsstandards dürfen jedenfalls der Verwirklichung der SDGs nicht entgegenstehen. Notwendig ist ein „Kohärenzcheck“!

Die Bundesregierung sollte dabei auch den Vorschlag der UN-Generalversammlung vom Juni 2009 aufgreifen, einen „Panel on Systemic Risks“ zu schaffen, den die Stiglitz-Kommission im Jahr 2008 gefordert hatte. Dieser Panel sollte in Analogie zum Weltklima-Rat, aus Experten und Expertinnen zusammengesetzt werden, die nicht dem marktradikalen Dogma huldigen. Die Aufgabe des Panels wäre die regelmäßige Berichterstattung zur Situation der Finanzmärkte, ein Wirken als Frühwarnsystem für Finanzrisiken und die Erstellung von Handlungsempfehlungen zur Regulierung der Märkte. Denn klar ist, dass die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der UN in sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Fragen grundsätzlich gestärkt werden muss.

 

Dieser Text ist eine leicht veränderte Version eines Beitrags, der auch der Grundwertekommission der SPD vorgelegt worden ist.