"Es fehlt einfach ein Narrativ!" Diese These geistert seit Jahren durch die europapolitische Debatte und erklärt vermeintlich, weshalb die Begeisterung für die Europäische Union und das Integrationsprojekt auf dem Kontinent in breiten Bevölkerungsteilen deutlich nachgelassen hat. Insbesondere angesichts stärker werdender "Euroskeptiker" und rechtspopulistischer Anti-Euro(pa)-Parteien wird das Fehlen einer überzeugende "Erzählung" immer wieder als Erklärung bemüht. Früher sei Europa als Friedensprojekt glaubhaft vermittelt worden, so heißt es, heute bleibe unklar, wofür Europa stehe und wohin es führen solle.

Olaf Cramme, Direktor des Policy Network und Visiting Fellow am European Institute der London School of Economics, wirft hierzu in einer aktuellen Analyse ein: Es reicht nicht, ein neues "Narrativ" zu erdenken oder zu versuchen, den Diskurs positiv zu beeinflussen. Vielmehr müsse auch das pro-europäische Lager endlich realisieren, dass die gegenwärtige EU Schwächen aufweise, denen offensiv gegenübergetreten werden muss. Ansätze zur Abwendung der drohenden Eurosklerose 2.0 sieht Cramme etwa in einer stärkeren Einbeziehung nationaler Parlamente in europäische Prozesse. Erst dadurch könne eine nachhaltige Verteidigung europäischen Fortschritts durch die politischen Lager erfolgen. Die politische Debatte kann dabei durchaus auch langfristig noch zu Gunsten des pro-europäischen Lagers entschieden werden. Nicht jedoch, wenn dieses sich nur auf das luftige Thema des "Narrativs" beschränkt.  

Der Diskussionsbeitrag ist auf der Webseite des Policy Networkshier verfügbar.