Noch eine Studie zum Verhältnis der Deutschen zur Klimapolitik? Braucht es das wirklich? Ja! Wir müssen reden. Und vor allem müssen wir besser verstehen, wo wir eigentlich stehen. Denn die Beziehung zwischen den Deutschen und dem Klima gestaltet sich zunehmend komplizierter. Das ist schlecht, denn der Druck wächst von beiden Seiten. Die Temperatur steigt. Aber das Misstrauen gegenüber konkreter Klimapolitik ebenfalls. Eine ungünstige Melange, die schnell ungemütlich werden kann. Entsprechend wollen Dennis Eversberg, Martin Fritz, Linda von Faber und Matthias Schmelzer mit ihrem Buch Der neue sozial-ökologische Klassenkonflikt: Mentalitäts- und Interessengegensätze im Streit um Transformation Licht ins Dunkel bringen – und eine eindringliche Warnung aussprechen.

Zur Beruhigung in aufgewühlten Zeiten trägt die Lektüre nicht bei. Zwar könne klimapolitisch von einer Aufspaltung in zwei gegensätzliche bis feindliche Lager nicht die Rede sein. Gleichzeitig warnen die Autorinnen und Autoren vor der Gefahr einer großen Allianz, die sich derzeit unter opportunistischer Mitwirkung liberal-konservativer Kräfte anbahnen könnte. Auch mit Blick auf die Methode handelt es sich nicht eben um eine leichtfüßige Urlaubslektüre, eher um ein Schmankerl für Soziologinnen und Soziologen. Beim Lesen läuft man mitunter Gefahr, den Überblick über die diversen Achsen und Spektren des deutschen Sozialraums zu verlieren. Doch bei aller komplexer Methodenverliebtheit sind die Schlussfolgerungen erfrischend deutlich. Die Deutschen erzählen sich selbst nur zu gerne die Geschichte des willigen Klimavorreiters in der Welt. De facto sei man hierzulande aber deutlich distanzierter gegenüber klimapolitischen Maßnahmen als in einer Vielzahl von Ländern mit vergleichbarer Ausgangslage.

Die zentrale These des Buches: Der große Konflikt um die sozial-ökologische Transformation ist nicht einfach ein Streit um unterschiedliche Werte oder Vorstellungen. Er ist ein handfester Klassenkonflikt. Wenn sozio-ökonomisch bedingte Spannungen und Gegensätze auch mit gegensätzlichen Mentalitäten einhergehen, dann werden Interessengegensätze auch als solche wahrgenommen und führen zum Streit, so die Autorinnen und Autoren. Eversberg und Co. verorten in der deutschen Gesellschaft drei große Spektren: das öko-soziale Spektrum, das konservativ-steigerungsorientierte Spektrum und das defensiv-reaktive Spektrum. Das Ergebnis ihrer empirischen Untersuchung ist eine Landkarte des sozial-ökologischen Klassenkonflikts in der deutschen Bevölkerung, die sowohl vertikale (sozial zwischen oben und unten) als auch horizontale Klassenunterschiede abbildet (ideologisch-kulturelle Unterschiede zwischen materiell-eigentumsbasiertem und „postmateriell“-bildungsbasiertem Status).

Für die Autorinnen und Autoren liegt der Ursprung des Konflikts im Wirtschaftssystem.

Für die Autorinnen und Autoren liegt der Ursprung des Konflikts im Wirtschaftssystem – und damit tief eingegraben in der DNA der europäischen Gesellschaft, die auf Steigerungszwängen beruhe. Am augenfälligsten wird dies in der Wachstumslogik des kapitalistischen Wirtschaftens – so weit, so im Einklang mit gängigen Post-Wachstums-Apologeten. Der Zwang zum Wachstum ist bei Eversberg und Co. aber nicht auf das Wirtschaftssystem beschränkt. Er ist eingewoben in die Geschichte der europäischen Gesellschaften. Wissenschaft, Staatlichkeit, selbst Aufklärung und Emanzipation seien Ausdruck des Zwangs zur immer weiteren Ausdehnung. Wenn aber die Latte der Ursachenforschung so hoch liegt, so muss einem beim Ausmaß des nötigen Wandels schwindelig werden. Hier ist die Klimakrise nur ein Symptom, das zudem ohne einen radikalen Kurswechsel nicht zu lindern ist.

So greift in den Augen der Autorinnen und Autoren der Verweis auf die allgemeine Veränderungsmüdigkeit, wie etwa im Bestseller Triggerpunkte von Mau und Co. beschrieben, zu kurz. Die Situation scheint ihnen viel ernster. Teile der Gesellschaft reagierten auf die Schilderung einer nötigen Veränderung mit der Abkehr von ebenjenen Institutionen, die sich in diese Richtung äußern. Sie antworteten mit schleichendem Rückzug und dem Verlust von Vertrauen in Institutionen und Gesellschaft. Entsprechend steht für Eversberg und Co. beim klassischen Verteilungskonflikt weniger die ungleiche Verteilung von Reichtum im Zentrum. Sie verweisen vielmehr darauf, dass in wachsendem Maße die ungleiche Verteilung von Vertrauen und Misstrauen, von Identifikation und Ablehnung bedeutsam sei: aus ihrer Sicht eine potenziell brandgefährliche Nahrung für nachhaltigen Staatsverdruss.

Entsprechend sind hier die Öko-Sozialen auch nicht aus dem Schneider. Auch sie leisten einen Beitrag zur aktuellen Zuspitzung, wenn auch zumeist aus hehren Motiven heraus. Schlicht die Erkenntnisse der Klimaforschung ins Feld zu führen und auf breite Erkenntnis zu warten, das verfange nicht – im Gegenteil. Denn es handele sich nun mal um abstraktes Wissen, das über komplexe gesellschaftliche Institutionen und Verfahren gewonnen werde. Wenn aber das Vertrauen in diese Institutionen erodiert ist, dann kann man auf die Erkenntnis lange warten. Hier wird deutlich, wo es bei den Appellen der Klimabewegten seit Langem klemmt. Das Buch warnt vor einer gesellschaftlichen Spaltung zwischen konkret-erfahrungsbasierten und abstrakt-wissenschaftlich-technologisch vermittelten Weltzugängen. Deshalb äußern die Autorinnen und Autoren scharfe Kritik daran, einen bestimmten Weg als alternativlos zu umreißen. Wer die Ziele vorher festlege, der schließe eine demokratische Debatte aus. Ohnehin plädieren sie für mehr Dialogbereitschaft auch auf Seiten der Klimabewegten.

Dieser Verteilungskonflikt rund ums Vertrauen ist der Auffassung der Autorinnen und Autoren nach noch stark unterbelichtet. Denn in der öffentlichen Debatte vorherrschend sei derzeit der Veränderungskonflikt, ausgetragen als Disput um Kosten und Lasten des klimaneutralen Wandels. In der öffentlichen Debatte würden zwei entgegengesetzte Gruppen auf die Bühne gestellt: eine städtisch-akademische Klientel mit hohen transformativen Ambitionen bei gleichzeitig geringer sozialer Sensibilität einerseits und überforderte einfache Leute mit gutem Willen, aber materiellen Sorgen und Ängsten vor zu schnellem Wandel andererseits. Diese Debatte um Reichweite und Kosten in Kombination mit dem gängigen Anwurf der beiden klar umrissenen Lager ist für das Autorenteam eine Nebelkerze. Die eigentliche Blockade rühre anderswo her: von der Verteidigung privater Eigentumsinteressen sowie der wirtschaftlichen Macht und der Hoheit von Investitions- und Produktionsentscheidungen, die sich die Elite nicht nehmen lassen wolle. Wer nun die geschilderte Zuspitzung immer weiter treibe – abgehobene Grüne auf der einen, einfaches, darbendes Volk auf der anderen Seite –, der leite nicht nur in die Irre, sondern spiele insbesondere ein gefährliches Spiel um Demokratieverdruss und Staatsabkehr.

Im Lager der Zündler verorten Eversberg und Co. auch jene, die im konservativ-steigerungsorientierten Spektrum die Klimapolitik auf wachstums- und technologiezentrierte Strategien engführten. An dieser Stelle allerdings stolpert man etwas über die mangelnde tagesaktuelle Evidenz. Die hier skizzierten Liberalen mögen sich zwar selbst in der Rolle der „technologieoffenen“ Modernisierer gefallen. Wer sich etwa die verbissene Attacke gegen das Verbrenner-Aus anschaut, der sieht hier allerdings nur schwerlich die technologische Avantgarde par excellence am Werk. Diese Technologieoffenheit kommt ausgesprochen verstaubt daher.

Ohnehin geraten die Mentalitätszuteilungen teils etwas holzschnittartig. So verorten die Autorinnen und Autoren im rechten (Obacht, es geht hier um die rechte Achse in ihrem sozialen Koordinatensystem, nicht zwangsweise um die politische Verortung) oberen Sozialraum Eigenheimbesitz auf dem Land, Landwirtschaft und Handwerk. Links dagegen finden sich durch eher hohe Bildungsabschlüsse und Mietverhältnisse in der Stadt geprägte Mentalitätstypen. Nun taugt ein hoher Bildungsabschluss neben einer vorteilhaften Erbschaft immer noch am ehesten für den Erwerb von Eigenheim. Wo also verorten sich hier etwa gut ausgebildete Eigenheimbesitzende? Zudem blenden sie damit einen zentralen Motor aktueller Umrüstungsstrategien schlicht aus: die Aufwertung des materiellen Eigentums. Die Schere verläuft hier zunehmend nicht zwischen Mietenden und Besitzenden, sondern zwischen Besitzenden mit dem nötigen Kleingeld zur energetischen Sanierung und solchen ohne. 

Der Warnung vor einer möglichen Bildung einer brandgefährlichen Allianz verschiedener Spektren tut das keinen Abbruch. Aktuell strahlten sowohl Entfremdungs- und Entmächtigungserfahrungen als auch anti-gesellschaftliche Affekte in der unteren Hälfte des Sozialraums breit aus. Dies biete ein Einfallstor ins konservativ-steigerungsorientierte Spektrum hinein – und damit in die Mitte der Gesellschaft. Ein Rechtsschwenk etablierter Parteien könnte hier entsprechend mit Erfolg rechnen. Ohnehin entfaltet die eindringliche Warnung vor einer dauerhaften Allianz zwischen konservativ-steigerungsorientierten und defensiv-reaktiven Mentalitäten im Buch die stärkste Wirkung – nämlich das größte Unbehagen.

Die Verantwortung wird in den letzten Jahren viel zu sehr von Unternehmen und Branchen weg auf den Einzelnen abgewälzt.

Was also schlagen die Autorinnen und Autoren vor? Angelehnt an die Warnung vor einer möglichen breiten Allianz warnen sie davor, den Kostenaspekt übermäßig zu betonen, schüre dies doch die Gefahr eines Bündnisses zwischen Besitzinteressen und anti-gesellschaftlichen Aspekten. Sie empfehlen stattdessen den Ausbau der sozialen Infrastruktur sowie gemeinwohlorientierter, lokal selbstverwalteter Formen, etwa der Energieversorgung. Dieser lokal verankerte Ansatz abseits von Konzernprofiten ist zweifelsohne ein Schlüssel für die Akzeptanz der Bevölkerung vor Ort. Allerdings drängt sich beim Blick in die Praxis durchaus der Eindruck auf, dass die Beteiligten hier eher die eigene sichere Energieversorgung mitsamt Wertzuwachs fürs Eigentum und die Kommune vor Augen haben als den Angriff aufs Großkapital. Dass das Autorenteam stärker die struktur- als die verhaltensorientierte Perspektive betonen wollen, ist allerdings aller Ehren wert. Die Verantwortung wird in den letzten Jahren viel zu sehr von Unternehmen und Branchen weg auf den Einzelnen abgewälzt. Der Kampf am Buffet oder am Flugschalter ist als Schlachtplatz bedeutsamer als die internationalen Finanzmärkte oder die Rohstoffbörse. Die entscheidenden Stellschrauben aber sind Letztere.

Die von den Autorinnen und Autoren als Dreh- und Angelpunkt ausgemachte Umverteilung lässt sich nicht anzweifeln. Hier haben sie nicht nur die Umverteilung von oben nach unten im Blick, sondern auch die von privat zu öffentlich-gemeinwohlorientiert. Mehr vom Selben in Form technologischer Lösungen, marktbasierter Steuerinstrumente und wissenschaftlich-pädagogischer Aufklärung führe in eine Sackgasse. Sie plädieren dagegen für einen weitreichenden Umbau der sozialen Arbeitsteilung und der Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Gleichwohl erkennen sie aber an, dass es dafür kaum konkrete Politikvorschläge gibt. Es bräuchte zunächst neue Allianzen im linken und unteren Sozialraum. Die aber sind nicht in Sicht. Unklar bleibt entsprechend, wer hier treibende Kraft sein sollte.