Diese Woche werden Vertreter der internationalen Gemeinschaft mit iranischen Unterhändlern in Genf zu einer neuen Verhandlungsrunde über das iranische Atomprogramm zusammenkommen. Wie schätzen Sie die Chancen für einen Durchbruch ein?
Ich denke dass auf beiden Seiten ein gewisser Erfolgswille vorhanden ist. In den USA hat sich Präsident Obama durch seine Ankündigung, den Chemiewaffeneinsatz in Syrien nicht ungesühnt zu lassen, in eine Ecke manövriert. Und in Bezug auf den Iran hat er öffentlich gelobt, eine nukleare Aufrüstung Teherans unter keinen Umständen zuzulassen.
Die Amerikaner haben nicht die leiseste Ahnung, was am Tag nach einer Bombenkampagne in Syrien oder im Iran geschehen sollte.
Aktuell besteht in den USA nun ein klares Interesse, aus dieser Ecke wieder herauszukommen und vor allem nicht zu sehr in die Entwicklung in Iran verstrickt zu werden. Schließlich haben die Amerikaner nicht die leiseste Ahnung, was am Tag nach einer Bombenkampagne in Syrien oder im Iran geschehen solle. Das ist die US-Seite der aktuellen Entwicklung. Doch auch im Iran scheint die Bereitschaft zu bestehen, Zu einer Übereinkunft zu gelangen. Es ist klar, dass das Land aktuell in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation ist. Die Sanktionen, der wirtschaftliche Druck und hausgemachtes Missmanagement habe die wirtschaftliche Entwicklung torpediert und die ohnehin angespannte Lage ökonomische verschärft. Mir scheint, dass diese beiden Trends in den Vereinigten Staaten und im Iran nun aktuell zusammenkommen.
Heißt das, Sie sind optimistisch was die Aussichten für ein Abkommen angeht?
Nicht notwendigerweise. Einerseits habe ich schon den Eindruck, dass es im Westen keine fundamentalen Vorbehalte gegen die Anreicherung iranischen Urans auf bis zu 5 Prozent mehr gibt. Sicher, es existiert eine Resolution des Sicherheitsrats zu dieser Frage und aus diesem Grund hat man die Forderung auch nicht offiziell ad acta gelegt. Aber ich habe das Gefühl, dass hier Raum für einen Kompromiss besteht. Was die Frage der Anreicherung auf bis zu 20 Prozent angeht, könnten die Iraner zu einem Kompromiss bereit sein.
Auf der anderen Seite könnte sich die Zukunft des Fordo-Reaktors als deutlich schwierigeres Problem erweisen. Ebenso wie der Schwerwasserreaktor in Arak. Hier dürfte eine Lösung schwieriger zu finden sein, weil Präsident Rouhani öffentliche Sensibilitäten zu Hause berücksichtigen muss. Schließlich kann er die Verhandlungen nicht als jemand verlassen, der jeder einzelnen westlichen Forderung nachgegeben hat. Hier existiert noch eine relativ große Distanz zwischen beiden Seiten. Aber ich will nicht zu skeptisch sein. Wenn ein Deal in den kommenden Gesprächen abgeschlossen werden kann, wundervoll. Aber dann wird auch die andere Seite der Gleichung ins Bild drücken: In wie weit wird der Westen bereit sein, die Sanktionen aufzuheben? Da wird es großen Druck vom US-Kongress und aus Israel geben.
Es ist offensichtlich, dass Im Iran heute eine sehr viel weltmännischere und erfahrenere Führung existiert als zuvor. Der Regierungswechsel ist eine große Chance.
Als Beobachter von außen habe ich das Gefühl, dass vielleicht eine residuale Lösung ausgelotet werden könnte. Jeder Deal, der konkret benennt, wie viele Zentrifugen und welche Art von Zentrifugen an welchem Ort stehen dürfen, würde im Iran als Aushöhlen nationaler Rechte kritisiert werden. Falls Präsident Rouhani solch ein Abkommen unterzeichnet, könnte er im Iran schwer für den Ausverkauf iranischer Rechte kritisiert werden. In Anbetracht dessen könnte es für den Iran einfacher sein, alleine zu handeln.
Wie könnte das aussehen?
Vielleicht sollten wir uns stärker mit parallelen Verpflichtungen beschäftigen, nicht mit einem verbindlichen Nexus. Wenn wir den Fokus auf parallele Verpflichtungen lenken, könnten die Iraner als souveräner Staat und gegründet auf eine Analyse ihrer wirtschaftlichen Interessen bestimmte Aktionen suspendieren, ohne dass dies als Unterwerfung unter äußeren Druck gesehen würde. Dies mag stark an Psychologie erinnern, aber 60 Prozent des Konfliktes besteht aus Psychologie.
Der Wahlsieg von Hassan Rouhani hat in Teheran zu einem deutlichen Wandel in der Sprache geführt. Wie bewerten Sie das?
Es ist offensichtlich, dass Im Iran heute eine sehr viel weltmännischere und erfahrenere Führung existiert als zuvor. Der Regierungswechsel ist eine große Chance, denn wir haben jetzt eine Regierung in Teheran die danach strebt, die wirtschaftlichen Interessen des iranischen Volkes zu befriedigen. Die Regierung will die Sanktionen überwinden und die Isolation reduzieren. Natürlich, wir wissen derzeit nicht wie weit das gehen wird, aber es ist ein deutlicher Kontrast zum vorherigen Präsidenten, der in jeder Konfrontation mit den Amerikanern aufblühte und sich bei jeder Gelegenheit daran machte, auf der Arabischen Straße zu punkten. Und angesichts der oft erniedrigenden westlichen Rhetorik gegenüber dem Iran gab es dafür ja manch eine Gelegenheit…
Sicher ist die Nuklearfrage essenziell. Aber es ist nicht das einzige Feld, auf dem westliche und iranische Interessen sich gegenüber stehen. Wie sehen Sie die Aussichten für eine umfassende Detente, die auch Afghanistan und Syrien einschließt?
Das wäre eine Möglichkeit. In der Diplomatie ist es ein traditioneller Ansatz, das Spielfeld zu verbreitern, wenn man in einer bestimmten Sache nicht weiterkommt. Diese Frage ist ja auch bereits extensiv debattiert worden, in Bezug auf Afghanistan und Irak. Und ich habe den Eindruck, dass der Iran in Afghanistan durchaus hilfreich gewesen ist für den Schutz von US-Interessen. Dasselbe gilt letztendlich auch im Irak. Aber ich frage mich, ob ein direktes und umfassendes diplomatisches Abkommen, das auf einen quid pro quo beruht, wirklich der richtige Ansatz wäre. Ein solcher Ansatz wäre sicher eine sehr viel größere Herausforderung als parallele unilaterale Verpflichtungen.
Das Gespräch führte Michael Bröning. Eine englische Version des Interviews finden Sie hier.
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