Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass internationale Technologiekonzerne in Europa kaum Steuern zahlen. Google, Facebook, Apple und andere haben sich darauf spezialisiert, ihre Geschäfte fiktiv in Gebieten oder Ländern anzusiedeln, in denen die Unternehmenssteuern niedrig sind oder gar gegen Null gehen. Um diese Steuervermeidungsstrategien einzudämmen, schlägt die Europäische Kommission nun vor, eine Digitalsteuer von drei Prozent der Einnahmen zu erheben.
Diesen Plan stellte in Brüssel EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici vor. Doch selbst wenn er jemals umgesetzt werden sollte – was im Moment mehr als unwahrscheinlich ist, da Irland, Luxemburg und Malta völlig ungestraft dagegen sind –, handelt es sich lediglich um eine Schönheitskorrektur. Die Europäische Kommission gibt das auch offen zu. Sie betrachtet die Digitalsteuer als vorläufige Maßnahme im Vorfeld einer Reform größeren Ausmaßes, die schon lange in der Luft hängt – seit 1975.
Die Globalisierung dürfte keine große Zukunft haben, wenn die Konzerne mit den höchsten Gewinnen die niedrigsten Steuern zahlen, während für andere, die unter den Folgen der Globalisierung leiden, die Steuern steigen.
Die Globalisierung des Finanzsystems hat großen Unternehmen unendlich viele Möglichkeiten zur Steuervermeidung erschlossen. In wenigen Steueroasen, angeführt von Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Singapur, Hongkong und Bermuda, machen sie heute enorme Gewinne. Weltweit werden die Gewinne internationaler Konzerne zu mehr als 40 Prozent künstlich in diese Gebiete verschoben. Das entspricht 600 Milliarden Euro an Gewinnen, die in Deutschland, Frankreich, den Vereinigten Staaten oder in großen aufstrebenden Ländern erzielt, jedoch den Ländern besteuert werden, deren Steuersatz gen Null geht.
Diese Praxis betrifft alle Wirtschaftsbereiche, von der Pharmaindustrie bis zum Finanzsektor, von der Automobil- bis zur Textilbranche. Die Giganten des Silicon Valley haben mit ihren Modellen einen besonders großen Einfallsreichtum bewiesen; so gab Google Alphabet 2016 auf den Bermudas fast 20 Milliarden US-Dollar Gewinn an. Anders als weithin angenommen ist die Steueroptimierung jedoch nicht den Technologiekonzernen vorbehalten. Deshalb ist ein Digitalsteuersatz von drei Prozent nicht mehr als ein Feigenblatt. Selbst wenn er verabschiedet würde, bliebe das Grundproblem bestehen.
Was also ist zu tun? Am vielversprechendsten ist es, die zu versteuernden Gewinne in den einzelnen Ländern anders zu berechnen. Konkret schlagen wir vor, dass der globale Gesamtgewinn ermittelt und auf die einzelnen Staaten verteilt wird, und zwar nach einem Schlüssel, der sich nach dem jeweils erzielten Umsatz richtet.
Wenn Apple beispielsweise zehn Prozent seines Gesamtumsatzes in Deutschland erzielt, dann würden zehn Prozent des Gesamtgewinns in Deutschland versteuert. Mit diesem Modell könnten in Irland oder Bermuda nicht mehr unverhältnismäßig hohe Gewinne erzielt werden. Denn Unternehmen können zwar heutzutage noch den Standort für ihre Gewinne frei wählen, aber für den Standort ihrer Kunden gilt das nicht, die können sie nicht so leicht auf die Cayman-Inseln verlagern.
Diese Lösung ist besonders für Digitalunternehmen geeignet. Um beim Beispiel Apple in Deutschland zu bleiben: Das Finanzministerium kennt genau den Umsatz mit Computern, Smartphones, Tablets und Digitaldienstleistungen auf dem heimischen Markt. Auch die Endkunden dieser internationalen Konzerne sind bekannt, da sie für Erhebung der Mehrwertsteuer erfasst werden.
Die Einführung eines solchen Systems in der Europäischen Union wird seit Jahrzehnten diskutiert. Wir sprechen hier über die sogenannte Common Consolidated Corporate Tax Base, eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer in ganz Europa. Ebenfalls seit Jahrzehnten stemmen sich Irland, Luxemburg und andere Steueroasen in der EU gegen dieses System, das ihrer auf Steuerdumping gründenden Entwicklungsstrategie ein Ende bereiten würde.
Doch die Meinung der Regierungen zu Steueroasen kann sich ändern. Nichts hält Deutschland, Frankreich und andere europäische Länder davon ab, die Reform unilateral umzusetzen. Diese Staaten könnten fordern, dass die in ihrem Land tätigen Unternehmen ihnen den Gesamtgewinn und den jeweiligen Umsatz melden, um auf dieser Basis die Steuerschuld zu berechnen. Unternehmen, die diese Zahlen nicht liefern, würden vom Markt ausgeschlossen.
Natürlich ist Kooperation immer besser. Aber soll man warten, bis Irland und Luxemburg es sich anders überlegen? Politisch steht viel auf dem Spiel, denn die Globalisierung dürfte keine große Zukunft haben, wenn die Konzerne mit den höchsten Gewinnen die niedrigsten Steuern zahlen, während für andere, die unter den Folgen der Globalisierung leiden, die Steuern steigen. Die Wahl Trumps in den Vereinigten Staaten und die Brexit-Entscheidung in Großbritannien lassen sich bereits als Reaktion auf diese Situation verstehen.
Übersetzung von Anne Emmert.