Bevor Donald Trump zuletzt neue transatlantische Gewitterwolken produzierte, erlebte Kopenhagen schon im Januar einen perfekten Sturm. Dänische Diplomaten zeigten sich schockiert und fassungslos ob dessen, was wie ein unvorhersehbares Naturereignis erschienen war: Ein amerikanischer Präsident ignorierte alle Regeln des Anstands, der Diplomatie und der Fairness.

Zum zweiten Mal unterbreitete Trump dem Königreich ein unanständiges Angebot zum Erwerb Grönlands – ein Vorstoß, der an dunkle koloniale Zeiten erinnert. Diesmal verband er sein Ansinnen mit einer unverhohlenen Drohung, die unter Verbündeten höchst undiplomatisch war. Mit diesem Verhalten beschädigte er nicht nur die Glaubwürdigkeit der USA auf der Weltbühne, sondern untergrub auch eine zentrale Säule amerikanischer Macht: die Soft Power.

Diese speist sich in erster Linie aus drei Quellen, wie sie von Joe Nye bezeichnet wurden: seiner Kultur (wenn sie für andere attraktiv ist), seinen politischen Werten wie Demokratie und Menschenrechten (wenn es sie lebt) und seiner Politik (wenn sie als legitim angesehen wird). Trump drohen alle drei Quellen zu versiegen. Er reiht sich damit in die Riege der Autokraten ein, die kleineren Staaten das Recht des Stärkeren aufzwingen, anstatt sich für die von den USA einst errichtete regelbasierte Ordnung und die Stärke des Rechts einzusetzen.

Bereits im August 2019 hatte Donald Trump versucht, mit Dänemark eine Art Immobiliengeschäft abzuschließen – ein Vorstoß, den die damals frisch gewählte dänische Premierministerin Mette Frederiksen als „absurd“ zurückwies. Trump schien ihr diese Absage persönlich übelzunehmen, was möglicherweise seine schroffe Art während des Telefonats mit Frederiksen im Januar 2025 erklärt.

Es war absehbar, dass Trump auch in seiner zweiten Amtszeit Schwächen anderer Staaten ausnutzen und sie nicht als Partner, sondern als Objekte transaktionaler Politik behandeln würde. Bereits im November 2020 hatte die US-Botschafterin in Kopenhagen, Dänemark in einem Meinungsartikel dazu aufgefordert, besorgniserregende Defizite in den Streitkräften zu beheben. Vier Jahre später sicherte Premierministerin Mette Frederiksen nun zu, hier nachzusteuern. Fakt bleibt jedoch – und in diesem Punkt ist Trumps Kritik nicht unbegründet –, dass Dänemark in der Vergangenheit zu wenig in seine Streitkräfte investiert hat und daher nicht über ausreichende Mittel verfügt, um Sicherheit und Souveränität der größten Insel der Welt eigenständig zu gewährleisten.

Grönland ist derzeit militärisch nicht bedroht und stellt somit kein akutes Sicherheitsrisiko für die USA dar.

Trumps sicherheitspolitische Dramatisierung dieses Problems ist dennoch überzogen. Grönland ist derzeit militärisch nicht bedroht und stellt somit kein akutes Sicherheitsrisiko für die USA dar. Doch es geht Trump nicht nur um Sicherheitsfragen. Die Relevanz und die Brisanz seiner Intervention in der Grönland-Frage sind maßgeblich durch innenpolitische Motive geprägt.

In Trumps Welt wäre Grönland die größtmögliche Landnahme – und damit die perfekte Bestätigung seiner Make America Great Again-Politik. Kanada hingegen passt nicht in dieses Schema, obwohl es als größeres Territorium eine theoretisch attraktivere Expansion darstellen könnte. Der Grund: Mit Kanada würde Trump zwar eine immense Landmasse gewinnen, sich aber gleichzeitig eine der liberalsten Wählerschaften Nordamerikas ins Land holen. Als 51. Bundesstaat wäre Kanada daher völlig ungeeignet, um Trumps innenpolitischen Umbau der USA voranzutreiben. In Grönland leben dagegen nur knapp 57 000 Menschen, die das niedrigste Bildungsniveau der nordischen Länder aufweisen. Hier sind vorrangig Investitionen in die Bildung und die Volkswirtschaft vonnöten, liberales Denken ist hier ein seltener Luxus.

Die Wenigsten wissen, dass das Königreich Dänemark vor 15 Jahren noch asiatische Staaten umworben hat, damit diese in Grönland und den Färöer-Inseln investieren. Mittels asiatischer Investitionen erhoffte sich Kopenhagen, das innenpolitische Verhältnis zu seinen Reichs­gemein­­schafts­territorien zu verbessern und zentrifugale Kräfte im König­reich abzuschwächen. Entgegen den damaligen Interessen anderer Arktisstaaten erhielt daher China 2013 den Beobachterstatus im Arktischen Rat zugesprochen und darüber hinaus in Grönland den Zugang zu wichtigen Infrastrukturprojekten.

Der Ausbau von Flughäfen fällt als wichtiges Infrastruktur­vor­haben in die Kompetenz der Regierung in Nuuk, die kraft des erweiterten Auto­nomie­­statuts die meisten Aspekte des politischen und wirtschaft­lichen Lebens selbst regeln kann. Sie hatte den neuen Flughafen als integrales Element der nationalen Entwicklung und der Haupt­stadtplanung erkannt. Da aber die sicherheits­politischen Kom­pe­tenzen für Grönland im Königreich verblieben sind, konnte Kopenhagen das Bauvorhaben als sicher­heits­relevan­tes Prob­lem einstufen und im Sinne Washingtons in den Vergabe­prozess ein­greifen.

Die Sorge galt der China Communications Construction Company (CCCC), die auf der Shortlist der grönländi­schen Flughafen­gesellschaft Kalaallit Air­ports für potenzielle Partner bei Bau und Finanzierung der Flughafen­projekte erschienen war. Die CCCC ist zu 70 Prozent in Staatsbesitz und in die Belt and Road Initiative involviert, mit der Peking seinen Einfluss global ausweiten will. Außerdem unterhält das Unternehmen militärische Liegen­schaften der chinesischen Streitkräfte.

Nach den USA und China kann auch Russland als dritter Akteur in dieser neuen unheiligen Allianz die Trump’sche Grönland-Politik als Bestätigung seiner eigenen expansionistischen Vergangenheit im Zarenreich und seiner aktuellen neoimperialistischen Bestrebungen betrachten.

Vor Trump spielte Grönland im russischen Arktisdiskurs keine bedeutende Rolle.

Auch hier bedient Trump innenpolitisch wirksame Muster. Wladimir Putin könnte sich in seinem Ansatz bestärkt fühlen, Russland künftig wie ein Familienunternehmen zu führen – möglicherweise werden seine Töchter bald „neurussische“ Gebiete bereisen, so wie es Donald Trump Jr. bereits in Grönland getan hat.

Vor Trump spielte Grönland im russischen Arktisdiskurs keine bedeutende Rolle. Dies könnte sich jedoch ändern, sollte die Insel zu einem militärisch relevanten Standort avancieren und damit als potenzielle Bedrohung für die russische nukleare Zweitschlagskapazität wahrgenommen werden. Diese wird durch die russische Nordflotte in der Arktis geschützt.

Eine solche Entwicklung könnte schwierige Verhandlungen zwischen Kopenhagen und Washington nach sich ziehen – ebenso wie innenpolitische Debatten in Nuuk. Denn eine Stationierung nicht nur von Sensoren auf der von US-Streitkräften genutzten Pituffik Space Base (ehemals Thule Air Base), sondern auch von Waffensystemen wie Langstreckenraketen stünde in klarem Widerspruch zur grönländischen Arktisstrategie.

Zudem widerspricht sie dem indigenen Narrativ, wonach die Inuit ein friedliebendes Volk seien, die militärische Konflikte als meist von außen importiertes Problem betrachten. Entsprechend betonte Grönlands Außenministerin Vivian Motzfeldt in Grönlands Arktisstrategie, dass sie keinen „Rüstungswettlauf in der Arktis“ wolle.

Das Land der Grönländer (Kalaallit Nunaat) profitiert innenpolitisch von diesen Debatten, indem es neue Aufmerksamkeit erhält und damit weiteren Druck auf Dänemark ausüben kann. So weit habe Trump viel Gutes für die Unabhängigkeitsbewegung bewirkt, meinte Grönlands ehemaliger Außenminister Pele Broberg von der radikalen Unabhängigkeitspartei Naleraq, deren Mitglieder sich so bald als möglich vom Königreich trennen wollen.

Außerdem leistet Trump unentgeltlich Wahlkampfhilfe für Premierminister Múte Bourup Egede und seine Partei Inuit Ataqatigiit (IA), die mit Egede erst zum zweiten Mal seit der Einführung der Landes­selbst­verwaltung 1979 den Premier stellen kann. In der anstehenden Parlamentswahl am 11. März kämpft die Umweltpartei IA gegen ihren derzeitigen Koalitionspartner, die sozialdemokratische Siumut („Vorwärts“). Sie könnte die von der IA eingeführten Grenzwerte für uranhaltige Stoffe im Bergbau wieder absenken und damit langfristig die Unabhängigkeit finanzieren wollen.

Grönland strebt die Loslösung vom dänischen Königreich an, wird aber kaum bereit sein, das Ziel der Unabhängigkeit an eine neue amerikanische Ordnung unter der Maxime von America First abzugeben.

Anders als bei der Wahl 2021, als für die grönländische Wählerschaft der Umweltschutz noch wichtiger war als die Unabhängigkeit, dürfte diesmal die Frage einer möglichen Abhängigkeit von den USA wahlentscheidend sein. Grönland strebt die Loslösung vom dänischen Königreich an, wird aber kaum bereit sein, das Ziel der Unabhängigkeit an eine neue amerikanische Ordnung unter der Maxime von America First abzugeben – insbesondere wenn dabei weder das Recht auf Selbstbestimmung noch der Umweltschutz ausreichend respektiert werden.

Grönland steht vor einer wegweisenden Entscheidung: Wird es als unabhängiges Land gleichrangig mit der Europäischen Union und Dänemark assoziiert sein – oder in eine neue Abhängigkeit von Trumps USA geraten, die unter der America First-Doktrin die Interessen aller anderen Staaten hintanstellt?

Die USA haben ihre Wahl bereits getroffen. Doch solange der US-Kongress die eigene Verfassung achtet und die Vereinigten Staaten sich nicht zu einer neoimperialen Kolonialmacht nach Putins Vorbild entwickeln, wird Grönland kein „Red, White & Blueland“ im Sinne des US-Abgeordneten Earl L. „Buddy“ Carter werden – seine Nationalflagge wird vielmehr bleiben, wie sie ist: rot und weiß.