Internationale Sanktionen können enorme Wirkung entfalten, doch manchmal sind sie auch kontraproduktiv. Denn durch das Verhängen von Sanktionen stärkt die internationale Gemeinschaft womöglich das betreffende Regime, indem es seine „Außenseiterposition“ zementiert.

Die Ächtung eines Landes durch die internationale Gemeinschaft hat nicht immer den beabsichtigten Effekt. Sie kann sogar die gegenteilige Wirkung haben. Die aktuellen Sanktionen gegen Russland nach der Annexion der Krim sind ein augenfälliges Beispiel. Ziel der Sanktionen ist es, dass sich Russland aus der Ukraine zurückzieht und die Unterstützung der Selbstverteidigungseinheiten und der nicht uniformierten Kämpfer einstellt. Die Strategie wird auch als shaming, „Anprangern“, bezeichnet, weil sie darauf abzielt, das russische Vorgehen zu ächten und Moskau auf diesem Weg zu einer Änderung seines Verhaltens zu bewegen. Doch Russland ist weit davon entfernt, sich für die Verletzung internationaler Regeln zu schämen.

Der Rückhalt für Präsident Wladimir Putin in der russischen Bevölkerung, der seit dem Kauskasuskrieg kontinuierlich gesunken war, erreichte Anfang 2014 den Tiefststand von 61 Prozent. Nach Beginn der der Ukraine-Krise war Putin plötzlich einer der beliebtesten Führungspolitiker Russlands. Im Dezember 2014 standen einer Umfrage zufolge 85 Prozent der Russen hinter ihrem Staatschef. Russland wehrt sich gegen das Etikett der „Annektierung“, und Putin verteidigt das Referendum auf der Krim, das, wie er behauptet, internationalem Recht entsprochen habe.

 

Intelligente Sanktionen sind nicht intelligent genug

Der Westen versucht, mit „intelligenten Sanktionen“ die gesamte russische Nation zu treffen. Die USA, die EU und ihre Verbündeten haben nur für ausgewählte Bereiche der russischen Wirtschaft und einzelne Bevölkerungsgruppen Sanktionen verhängt, für Oligarchen, Separatistenführer, Vertraute Putins und Regierungsmitglieder Einreiseverbote ausgesprochen und ihre Bankkonten gesperrt. Doch Putin und die vom Kreml kontrollierten Medien stellen die Sanktionen als Angriff auf Russland und die russische Identität dar. Putin wirft dem Westen Scheinheiligkeit vor und erklärt, man habe dort Russlands historische Verbindung mit der Krim nicht begriffen. In den Augen vieler Russen bestätigen die Sanktionen einmal mehr, dass die Weltsicht des Westens und die Russlands völlig unvereinbar sind.

In den Augen vieler Russen bestätigen die Sanktionen einmal mehr, dass die Weltsicht des Westens und die Russlands völlig unvereinbar sind.

Dies unterstreicht die Notwendigkeit, vorab zu klären, wie Sanktionen in dem betreffenden Land aufgenommen werden: Betrachtet die Mehrheit der Bevölkerung die Ächtung als harte, aber akzeptable Strafe für die Verletzung internationaler Normen? Oder rücken die Eliten weiter vom Westen ab? In Russland haben wir in Form von Gegensanktionen bislang letztere Reaktion erleben müssen. Eine Mehrheit der Bevölkerung sieht die Sanktionen als feindlichen Akt und Putin nicht etwa als Ursache der Wirtschaftskrise in Russland, sondern als ihre Lösung.

 

Härtere Sanktionen sind nicht immer eine Lösung

Manchen Kritikern zufolge ist das einzige Problem mit den Sanktionen gegen Russland, dass sie nicht hart genug sind. Wären sie strenger, so heißt es, müsste Russland die territoriale Integrität und die politische Unabhängigkeit der Ukraine anerkennen.

Diese Behauptung fußt jedoch auf der irrigen Annahme, dass strengere Sanktionen Staatschefs zwangsläufig dazu veranlassen, ihre Meinung zu ändern. Nicht jeder Schritt, den ein Staat unternimmt, lässt sich aber mit wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen erklären. Länder wie Kuba haben sich die internationale Ächtung ans Revers geheftet. Wie Präsident Barack Obama mittlerweile eingeräumt hat, haben die US-Sanktionen gegen Kuba keine Wirkung entfaltet. Im Gegenteil: Sie haben viele Jahre lang das Castro-Regime gestärkt, weil sie zum Feindbild vom bösen Westen beitrugen. Wie Staaten auf internationalen Druck reagieren, entscheiden ihre Innenpolitik, die nationale Identität und der Nationalstolz.

Sanktionen haben die erwünschte Wirkung, wenn sie Gruppen unterstützen, die sich in dem entsprechenden Land für einen Wandel einsetzen.

Trotz all dieser Einschränkungen können internationale Sanktionen auch künftig eine Handlungsoption sein. Obwohl nach der Wahl 2000 in Österreich Jörg Haiders FPÖ trotz Sanktionen in die Regierung eintrat, brachten diese doch eine Diskussion darüber in Gang, was für eine Gesellschaft sich die Österreicher eigentlich wünschten. Österreichische Politiker verwiesen darauf, dass es auch in mehreren anderen EU-Ländern rechtspopulistische Parteien gebe. Daraus wiederum ergab sich eine wichtige Debatte über die moralischen Grundzüge der europäischen Politik und zulässiges Verhalten eines Staates und einer Staatsführung.

 

Wann sind Sanktionen wirksam?

Damit Sanktionen wirken, müssen mindestens zwei Kriterien zutreffen. Erstens muss innerhalb einer Gruppe von Staaten ein breiter Konsens darüber herrschen, dass Sanktionen verhängt werden. Spaltungen zwischen denen, die ein Land an den Pranger stellen wollen, schmälern die Wirksamkeit und Legitimität der internationalen Ächtung. Zweitens muss es in dem betroffenen Land eine einflussreiche Elite oder Intelligenz geben, die sich mit den von den internationalen Sanktionen anvisierten Konzepten und Normen identifiziert. Einige der politischen Entscheidungsträger müssen sich von der Ächtung, die ihr Land erfahren soll, betroffen fühlen. Sanktionen haben die erwünschte Wirkung, wenn sie Gruppen unterstützen, die sich in dem entsprechenden Land für einen Wandel einsetzen. Ein Beispiel ist Südafrika zu Zeiten der Apartheid. Da jedoch keines der beiden Kriterien auf den Ukraine-Konflikt zwischen dem Westen und Russland zutrifft, besteht kaum Hoffnung, dass die Sanktionen Wirkung entfalten.

Dem französischen Botschafter in den USA Gérard Araud zufolge hat Putin „gewonnen, weil wir nicht bereit sind, für die Ukraine zu sterben“. Tatsächlich liegt die internationale Ächtung in der Mitte zwischen Krieg und Nichtstun. Das macht Sanktionen so attraktiv. Deshalb müssen sie aber noch lange nicht wirken.

Vgl. auch den Artikel der Autorin in der Zeitschrift International Organization