Matteo Renzi schickt sich an, mit 39 Jahren der jüngste Ministerpräsident der italienischen Geschichte zu werden. Für einige Medien wird er deshalb zum "Tony Blair Italiens". Sinvoller Vergleich oder Medienhype?

Nun, Matteo Renzi vergleicht sich selbst gerne mit zwei politischen Persönlichkeiten: mit Tony Blair und mit Barack Obama. Und tatsächlich hat er mit diesen beiden zumindest den hemdsärmeligen Auftritt und auch das Talent zur direkten Ansprache der Wählerinnen und Wähler gemein. Gemeinsamkeiten gibt es aber nicht nur im Gestus und Habitus, sondern auch in der Frage der Popularität. Alle drei wurden schließlich sehr schnell sehr populär. Mit Blair verbindet Renzi dabei vielleicht auch die Position eines Enfant Terribles, das sich anschickt, alte Zöpfe abzuschneiden und durchaus mit Polemiken etwa gegen Gewerkschaftler von sich reden macht. Die Frage ist jedoch: Wird Renzis Erfolg anhalten und wird er wie Blair und Obama auf Jahre hinaus politische Wirkung entfalten?

Bislang hat Renzi verkündet, Italien „schnell und einfach“ machen zu wollen. Das klingt nicht gerade nach linker Traditionsrhetorik. Inwiefern ist er überhaupt links?

Das ist eine Frage, die man sich auch in Italien immer wieder stellt. Zur Beantwortung muss man ein bisschen zurückgreifen. Grundsätzlich kann Renzis Karriere in zwei Phasen aufgeteilt werden. Seit 2008 wird er national überhaupt erst wahrgenommen und zwar seit seiner Teilnahme an den Vorwahlen in Florenz. Renzi stammt dabei aus der parteiinternen Minderheit mit christdemokratischen Wurzeln. Und eigentlich hat er sich in den vergangenen Jahren stets rechts vom Mainstream der eigenen Bewegung gehalten. Dies wurde unter anderem durch seine Bereitschaft deutlich, auch mit den Gewerkschaften auf Konfrontationskurs zu gehen. Dabei erinnerte sein Kokettieren mit der Wirtschaftselite durchaus an die deutsche Phrase vom „Genosse der Bosse“. Immer wieder verkündete Renzi in dieser ersten Phase, dass es nun darum gehe, das alte Establishment zu „verschrotten“ und die Partei zur Mitte hin zu öffnen. Es gehe darum, weg von altlinken Positionen zu kommen. Das galt grundsätzlich bis 2012.

Nach der Wahlniederlage im Februar 2013 erschien Renzi dann plötzlich als letzte Hoffnung seiner Partei. Und seitdem rückt er atmosphärisch nach links...

Nach der Wahlniederlage im Februar 2013 erschien Renzi dann plötzlich als letzte verbleibende Hoffnung seiner Partei. Und interessant ist, dass er seitdem atmosphärisch nach links rückt. Er sucht die Nähe zum linken Flügel der Gewerkschaftsbewegung FIOM und geht insgesamt stärker auf die Linke ein. Doch nach wie vor wartet Italien auf eine Antwort, was er praktisch tun wird. Die Konkretisierung steht noch aus. In Aussicht gestellt hat Renzi Reformen auf drei Feldern. Zunächst geht es ihm um eine Entlastung der Steuern für Unternehmen aber auch um eine Entlastung des niedrig und des niedrigen Mittellohnsektors. Ein zweiter Schwerpunkt bezieht sich auf Vereinfachungen im Arbeitsvertragsrecht. Hier sollen Kündigungen vereinfacht werden. Zugleich aber soll die Jugendarbeitslosigkeit prominent bekämpft werden. Daneben hat Renzi den Bürokratieabbau sowie Einsparungen auf dem staatlichen Sektor und Effizienzsteigerungen angekündigt.

Doch er wird mit der gleichen Koalition regieren müssen wie Letta: mit einem alles andern als geschlossenen Links-Rechts-Bündnis. Wie sind die Realisierungschancen dieser Pläne?

Da ist eine Prognose aktuell fast unmöglich. Klar ist, dass Renzi durch die öffentliche Meinung und durch die Sozialpartner, also die Unternehmen und die Gewerkschaften, unterstützt wird. Aber es gilt auch: Er verfügt nicht gerade über eine satte politische Mehrheit. Vor allem im Senat könnte es eng werden. Vor diesem Hintergrund ist seine eigene Aussage, bis 2018 durchregieren zu wollen, eher mit Vorsicht zu genießen. Das erscheint mir aktuell eher unrealistisch.

Renzi verfügt nicht gerade über eine satte Mehrheit. Vor allem im Senat könnte es eng werden. Seine Aussage, bis 2018 durchregieren zu wollen, ist deshalb mit Vorsicht zu genießen.

Was die Umsetzung angeht, ist auch auf die Juniorpartner in seiner Koalition zu achten. Eine Partei wie die Berlusconi-Abspaltung NCD verfügt hier natürlich über eine gewisse Vetomacht. Doch auch sie hat kein Interesse an einem Scheitern der Regierung. Zumindest nicht jetzt. Denn sie müsste bei Neuwahlen um den Wiedereinzug ins Parlament bangen. Diese Faktoren sprechen aktuell für Renzi. Doch auf Soll-Seite gilt eben auch: Die Spannbreite in seiner Koalition und die Gegenkräfte sind enorm groß. Erinnern wir uns: Auch der Regierungsantritt von Monti 2011 wurde in Europa euphorisch begrüßt. Und doch folgte bald das Scheitern. Der „italienische Sumpf“, von dem Renzi selbst immer wieder spricht, ist eben schwer zu besiegen. Und wir sind gespannt, ob es ihm gelingen wird.

Renzi hat sich auch Einiges in Bezug auf die EU vorgenommen. So will er die EU überzeugen, die 3 Prozent Defizitgrenze zu lockern. Welche Rolle wird Italien unter ihm in der EU spielen?

Renzi wird sicher eine Neu-Positionierung in der Europapolitik versuchen. Bisher hat die Regierung Letta und die PD bei aller Kritik stets ihre Hand dafür ins Feuer gelegt, dass die Sparziele einzuhalten sind. Renzi hat hier zumindest rhetorisch schon mal die Akzente verschoben. So bezeichnete er den Stabilitätspakt offen als Stupiditätspakt.

Sicher wird er in Brüssel über eine Richtungsänderung verhandeln. Offenbar schwebt ihm dabei eine Art Tauschgeschäft vor: Italien packt Reformen an aber erhält dafür Ausnahmegenehmigungen bei investiven Ausgaben. Nur wie die Reaktion darauf in Brüssel sein wird ist unklar. Bisher scheint man dort jedenfalls nicht gerade begeistert.