Vorausgegangen waren jahrelange intensive Verhandlungen, nun haben die Philippinen und Japan mit einem neuen Verteidigungspakt ihre militärische Zusammenarbeit gefestigt. Im Rahmen des jetzt unterzeichneten Reciprocal Access Agreement werden die beiden asiatischen Staaten Verfahrensregeln für gemeinsame Aktivitäten, bei denen Truppen eines Landes in dem anderen Land zu Gast sind, und einen Rechtsstatus für die Gasttruppen festlegen. Durch das neue Abkommen werden gemeinsame Militärmanöver sowie Hilfseinsätze in Katastrophenfällen erleichtert und die Interoperabilität zwischen den Japanischen Selbstverteidigungsstreitkräften und den Streitkräften der Philippinen verbessert.

Es gibt nur zwei weitere Staaten, mit denen Japan vergleichbare Abkommen geschlossen hat: Großbritannien und Australien. Beide sind nicht zufällig ebenso wie die Philippinen Verbündete der USA. Auch wenn es kein vollwertiges Bündnisabkommen ist, macht der neue Verteidigungspakt auf dramatische Weise deutlich, wie sehr Tokio und Manila sich in ihrer strategischen Ausrichtung und in ihrer Bedrohungswahrnehmung angenähert haben. Beide Länder erleben, wie China im Ost- und Südchinesischen Meer zunehmend auftrumpfend agiert. Besonders bedrohlich ist die Situation für die Philippinen: Schon etliche Male wäre es wegen Gebietsstreitigkeiten im Südchinesischen Meer beinahe zum offenen Konflikt mit China gekommen.

Allein im vergangenen Jahr gab es mindestens drei Zusammenstöße chinesischer Seestreitkräfte mit philippinischen Schiffen. Fünfmal setzte China Wasserkanonen gegen philippinische Schiffe ein, die in den umstrittenen Gebieten Patrouillen- und Versorgungsfahrten durchführten. Im Juni ging die chinesische Küstenwache noch einen Schritt weiter: Sie kaperte ein philippinisches Boot, das zur Second-Thomas-Untiefe unterwegs war, und entwaffnete gewaltsam die darauf befindlichen Marineoffiziere. An dem heftig umstrittenen Riff ist ein philippinisches Militärkontingent stationiert. Durch den Vorfall stieg die Gefahr einer direkten bewaffneten Konfrontation, die zumal dann droht, wenn China dazu übergehen sollte, philippinische Truppen mit Gewalt aus umstrittenen Gebieten in der Region zu vertreiben. Vor allem aber wächst die Sorge über eine mögliche chinesische Invasion Taiwans, das genau zwischen den Philippinen und Japan liegt.

Die Perspektive einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump ist für die Staaten in der Region ein weiterer gewichtiger Impuls, strategisch intensiver miteinander zusammenzuarbeiten. 

Die intensivierte philippinisch-japanische Sicherheitspartnerschaft spiegelt zweierlei wider: Erstens die unter Führung der USA verfolgte Strategie der „integrierten Abschreckung“ gegenüber China und zweitens das offenkundige Bemühen der beiden asiatischen Länder, das eigene sicherheitspolitische Umfeld in ihrer Region strategisch stärker mitzugestalten. Die Philippinen sind bestrebt, ein verzweigtes Netzwerk von Sicherheitspartnerschaften aufzubauen, um nicht mehr so stark auf Amerika angewiesen zu sein wie in der Vergangenheit, und Japan ist dabei, sich als tragende Säule einer regelbasierten Ordnung im indopazifischen Raum zu positionieren. Die Perspektive einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump, die am Ende womöglich noch disruptiver und transaktionaler ausfällt als die erste, ist für die Staaten in der Region ein weiterer gewichtiger Impuls, strategisch intensiver miteinander zusammenzuarbeiten.

Anfang des Jahres trafen sich in Washington US-Präsident Joe Biden, der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. und Japans Premierminister Fumio Kishida zum ersten Mal überhaupt zu einem trilateralen Gipfel der drei Länder. Bei ihrer von feierlichen Worten begleiteten Zusammenkunft im Weißen Haus beschworen die drei Regierungschefs das gemeinsame Ziel, durch langfristige strategische Zusammenarbeit „für die kommenden Jahrzehnte“ dafür zu sorgen, dass „im Indopazifikraum und darüber hinaus eine freie und offene internationale Ordnung bestehen bleibt, die auf dem Völkerrecht basiert.“ US-Präsident Joe Biden bekräftigte, sein Land bekenne sich „eisern“ zu seinen asiatischen Verbündeten – erst recht angesichts der eskalierenden Spannungen im Südchinesischen Meer. An China richtete der US-Präsident die Warnung, jeder bewaffnete Angriff auf philippinische Truppen oder auf zivile Schiffe und Flugzeuge werde den Beistandspakt zwischen den Philippinen und den USA auslösen.

Der US-Kongress drängte unterdessen auf ein neues bilaterales Verteidigungsabkommen, das mit einem Volumen von 2,5 Milliarden US-Dollar die jährliche Unterstützung für Manila im Rahmen des amerikanischen Foreign Military Financing mehr als vervierfachen würde. In dem Bewusstsein, wie wichtig wirtschaftliche Sicherheit und resiliente Lieferketten sind, boten Biden und Kishida den Philippinen zudem ein neues Paket von strategischen Investitionen an, die vor allem in den Ausbau kritischer Infrastrukturen fließen sollen.

Dem Dreiergipfel war eine Reihe hochrangiger Treffen der drei Länder vorausgegangen, insbesondere eine Zusammenkunft von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Marcos Jr. und Kishida sowie trilaterale Gespräche der jeweiligen nationalen Sicherheitsberater. Im vergangenen Jahr führten die Küstenwachen der drei Länder zum ersten Mal eine gemeinsame Übung durch. Eine tragende Rolle beim Zustandekommen der Dreiergruppe „JAPHUS“ (Japan-Philippinen-USA) spielte der philippinische Präsident Marcos Jr. persönlich: Vor seinem Antrittsbesuch in Tokio hatte er sich öffentlich für diesen Zusammenschluss starkgemacht, nachdem er zuvor bereits entschieden hatte, dem Pentagon im Rahmen des Enhanced Defense Cooperation Agreement Zugang zu weiteren Militäranlagen im Norden der Philippinen zu gewähren. 

Die trilaterale Partnerschaft JAPHUS ist Teil eines größer angelegten Pakets „minilateraler“ Initiativen unter Führung der USA.

Die trilaterale Partnerschaft JAPHUS ist Teil eines größer angelegten Pakets „minilateraler“ Initiativen unter Führung der USA. Die bekanntesten sind die Gruppe AUKUS (Australien-Großbritannien-USA), die Dreierallianz Japan-USA-Südkorea und die quadrilaterale Sicherheitspartnerschaft „Squad“ zwischen USA, Australien, Japan und den Philippinen. Diese Initiativen folgen alle demselben Organisationsprinzip: Sie sollen eine Strategie der „integrierten Abschreckung“ gegen ein neu erstarkendes China festigen. Ziel der USA ist es, mithilfe ihres weit verzweigten Netzwerkes von Allianzen Chinas Ambitionen in der Region einzudämmen.

Sowohl den Philippinen als auch Japan ist bewusst, dass Amerika für den Erhalt des Status quo in der Region eine unverzichtbare Rolle spielt. Andererseits sind sie entschlossen, ihre eigene strategische Handlungsfähigkeit zu stärken. Zum einen treibt die Ungewissheit um, wie es mit Amerikas Engagement in der Region weitergehen wird. Die Begleiterscheinungen einer zweiten Regierungszeit von Donald Trump wären heftige interne Machtkämpfe in Washington, ein Komplettumbau des dortigen sicherheitspolitischen Establishments zugunsten von Akteuren, die der Administration treu ergeben sind, sowie eine ungeniert unilateralistische und brutal transaktionale Außenpolitik, die zu Lasten der Verbündeten in Asien gehen würde.

Regionalstaaten wie die Philippinen wollen nicht als Stellvertreter der USA gegen ein erstarkendes China herhalten, sondern eine „unabhängigere“ Außenpolitik betreiben.

Hinzu kommt, dass Japan und die Philippinen beide stabile Kommunikationskanäle mit China aufrechterhalten wollen, das nicht nur ihr direkter Nachbar, sondern auch ein sehr wichtiger Handelspartner ist. Regionalstaaten wie die Philippinen wollen nicht als Stellvertreter der USA gegen ein erstarkendes China herhalten, sondern eine „unabhängigere“ Außenpolitik betreiben. Marcos Jr. hat wiederholt deutlich gemacht, dass er nicht vorhat, sich an der Seite einer Supermacht gegen eine andere Supermacht in Stellung zu bringen, und nannte die Vertiefung der Sicherheitspartnerschaft mit den traditionellen Verbündeten schlicht eine defensive Reaktion auf das Geschehen im Südchinesischen Meer, „auf die aggressiven Aktionen, denen wir ausgesetzt sind“.

Die Philippinen haben sogar das Angebot der USA abgelehnt, sie angesichts der andauernden chinesischen Schikanen gegen ihre Versorgungs- und Patrouilleneinsätze im Südchinesischen Meer direkt zu unterstützen. Der südostasiatische Staat setzt vielmehr auf die Modernisierung seiner eigenen Fähigkeiten im Bereich der Seesicherheit und will dafür in den nächsten zehn Jahren hochentwickelte Waffensysteme anschaffen. Vor allem aber wollen die Philippinen ihre Sicherheitspartnerschaften über die USA hinaus diversifizieren. Genau hier setzt die nun noch intensivere Sicherheitskooperation zwischen den Philippinen und Japan an. Das Land genießt sowohl bei den strategischen Eliten der Philippinen als auch bei deren Bevölkerung breiten Rückhalt und ist wichtigster Partner bei Entwicklungshilfe und Investitionen.

Japan wiederum übernimmt im Zuge seiner Doktrin des „diplomatischen Realismus“ sicherheitspolitisch mehr und mehr eine proaktive Rolle in der Region. Aufbauend auf der Arbeit des ermordeten Premierminister Shinzo Abe, der in den 2010er Jahren Japans Nachkriegs-Außenpolitik im Alleingang neu definiert hat, hat Fumio Kishidas Regierung das Ziel ausgegeben, Japans Verteidigungsausgaben in den nächsten fünf Jahren zu verdoppeln, gemeinsam mit wichtigen Partnern neue Waffensysteme zu entwickeln und – besonders zentral – im Rahmen des neu aufgelegten Programms Official Security Assistance gleichgesinnte Staaten im Bereich der maritimen Sicherheit direkt zu unterstützen.

Der jetzt unterzeichnete Verteidigungspakt, der schon bald in beiden Ländern ratifiziert werden dürfte, soll die Verteidigungshilfe und den Export zunehmend hochentwickelter Waffensysteme in die Philippinen beschleunigen. Damit übernimmt Japan, das die philippinische Marine bereits mit Mehrzweckboten und Radarsystemen ausgestattet hat, im Kontext der sich zuspitzenden Auseinandersetzungen im Südchinesischen Meer eine noch zentralere Rolle für den Kapazitätsausbau des Landes im Bereich der maritimen Sicherheit. 

Durch das neue Abkommen wird es zudem einfacher, bilaterale Militärübungen regelmäßiger und in größerem Stil abzuhalten. Dies wird die Interoperabilität zwischen japanischen und philippinischen Streitkräften drastisch verbessern, was gerade angesichts der Sorgen über einen möglichen Krieg im nahe gelegenen Taiwan besonders wichtig ist. Die Geografie spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle, denn sowohl Japan als auch die Philippinen haben (auf den Okinawa-Inseln und in Batanes) Militäreinrichtungen, die nicht weit von der taiwanesischen Küste entfernt sind. Entsprechend wichtig ist eine wirksame Koordinierung und breit angelegte Zusammenarbeit zwischen den beiden asiatischen Bündnispartnern, wenn es darum geht, für Abschreckung zu sorgen und mitzubestimmen, wie zentrale Konflikte in Asien am Ende ausgehen. Ungeachtet ihrer Allianz mit Washington sind die Philippinen und Japan entschlossen, ihre eigene Verteidigungsfähigkeit zu stärken, damit sie auf geopolitische Unsicherheiten und Krisensituationen in der Region wirksam reagieren können.

Aus dem Englischen von Andreas Bredenfeld