Die Fragen stellte Alexander Isele.
Die UN-Klimakonferenz in Baku wurde gleich zu Beginn von der Ankündigung erschüttert, der designierte US-Präsident Trump plane den erneuten Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Was bedeutet das für die globalen Anstrengungen gegen den Klimawandel?
Das hat auf inhaltlicher Ebene tatsächlich weniger Auswirkungen, als man annehmen würde. Denn zum einen sind die USA unter Trump bereits einmal aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen, ohne dass andere Länder gefolgt wären. Und zum anderen haben sich die USA bei der wichtigsten Frage dieser Konferenz – der Klimafinanzierung – auch bereits unter Joe Biden nicht für mehr Ambitionen eingesetzt oder ihren fairen Anteil geleistet. Trotzdem konnten wir gleich zu Beginn der Konferenz beobachten, dass der argentinische Präsident Javier Milei seine Delegation von der COP29 abgezogen hat. Es bleibt also zu befürchten, dass es dieses Mal doch zu einem Domino-Effekt kommen könnte und weitere, vor allem rechtspopulistisch regierte Länder Trump folgen könnten. Das wäre in der Tat fatal, da die UN-Klimarahmenkonvention als wichtiger multilateraler Mechanismus bisher erstaunlich krisenfest ist.
Mehrere wichtige Staatsoberhäupter wie Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Brasiliens Präsident Lula da Silva blieben der Klimakonferenz fern. Wie sehr hat das die COP29 geschwächt?
Das hat die Konferenz in der Tat geschwächt. Viele Staats- und Regierungschefs sahen diese UN-Klimakonferenz nicht als besonders wichtig an und haben ihren Blick bereits nach Brasilien gerichtet, wo nächstes Jahr die COP30 stattfinden wird. Das ist fatal, denn sie zeigen damit, dass Klimaschutz und vor allem die Klimafinanzierung keine große Priorität für sie haben. Für viele Länder im Globalen Süden ist eine ausreichende Finanzierung jedoch überlebenswichtig, um überhaupt Klimaschutz betreiben zu können. Zudem schwächte das Fortbleiben vieler Staatschefs auch das politische Momentum in Baku, da durch sie oft politische Ankündigungen gemacht werden, die zu einem Durchbruch verhelfen. Dies war zum Beispiel auf der COP26 in Glasgow der Fall. Und es schwächt auch die COP selbst als eines der wenigen noch funktionierenden multilateralen Foren. Solche Foren müssen jedoch gerade in diesen Zeiten zunehmender globaler Polarisierung gestärkt werden.
Die Konferenz fand in Aserbaidschan statt, einem Land, das stark von fossilen Brennstoffen abhängig ist. Wie beeinflusst dies die Diskussionen über den Ausstieg aus fossilen Energien, der auf der letzten Klimakonferenz beschlossen wurde?
Die Frage, wie die Emissionen weiter gesenkt werden können, um zurück auf einen 1,5-Grad-Pfad zu kommen, kam bei dieser Klimakonferenz definitiv zu kurz. Es war von Anfang an klar, dass die aserbaidschanische Präsidentschaft in diesem Punkt keine Ambitionen hegt. Eigentlich war vorgesehen, dass sich die sogenannten COP-Troika-Länder – bestehend aus der aktuellen, der vorherigen und der zukünftigen COP-Präsidentschaft, also Aserbaidschan, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Brasilien – zusammenschließen, um insbesondere auch in diesem Punkt voranzukommen. Jedoch hat Aserbaidschan im Gegensatz zu Brasilien kein ambitionierteres nationales Klimaschutzziel vorgelegt. In seiner Eröffnungsrede hat Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev zudem für Aufsehen gesorgt, indem er die fossilen Energien als „Geschenk Gottes“ bezeichnete. Ohne Führung durch die Präsidentschaft wird es schwierig, andere Länder zur Nachbesserung ihrer Klimaziele zu bewegen. Bis Februar 2025 sind alle Länder gefordert, ihre nationalen Minderungsziele nachzuschärfen. Mit Ausnahme von ganz wenigen Ländern wie Großbritannien, das in Baku angekündigt hat, seine Emissionen bis 2035 um 81 Prozent senken zu wollen, gibt es kaum Länder, deren Bemühungen hier ausreichend sind.
In seiner Eröffnungsrede hat Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev zudem für Aufsehen gesorgt, indem er die fossilen Energien als „Geschenk Gottes“ bezeichnete.
Die Festlegung eines klaren Pfades zur Abkehr von fossilen Energien ist leider auch nicht Bestandteil der offiziellen Verhandlungsstränge auf den Klimakonferenzen. Im letzten Jahr wurde auf der Klimakonferenz in Dubai als Erfolg gefeiert, dass die Abkehr vor fossilen Energien im allgemeinen Abschlussdokument explizit gefordert wurde – zusammen mit der Verdreifachung der erneuerbaren Energien sowie einer Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030. Ein solches Dokument war jedoch von der aserbaidschanischen COP-Präsidentschaft gar nicht vorgesehen.
Die aserbaidschanische Präsidentschaft war jedoch auch aufgrund der schwierigen Menschenrechtslage problematisch, die keinen offenen Protest vor Ort ermöglichte. Hinzu kamen mangelhafte Vorbereitung und die fehlende diplomatische Erfahrung mit solchen Verhandlungen. Es fehlte somit sowohl am Willen als auch an den Fähigkeiten für eine stärkere Verankerung der Abkehr von fossilen Energien. Dadurch hat diese Klimakonferenz in diesem wichtigen Bereich Rückschritte gemacht und konnte nicht auf den Beschlüssen der letzten COP in Dubai aufbauen.
Ein Hauptfokus der Konferenz in Baku lag auf Finanzierungsfragen. Werden die beschlossenen Klimafinanzierungsziele den Ansprüchen gerecht?
Zuerst einmal ist es wichtig festzuhalten, dass die Industrieländer eine historische Verantwortung gegenüber den Entwicklungsländern haben, die auch klar im Pariser Klimaabkommen festgehalten ist. Denn die Entwicklungsländer haben am wenigsten zur Klimakrise beigetragen, leiden jedoch am meisten unter ihr. Schon in der Vergangenheit sind die Industrieländer dieser Verpflichtung nur unzureichend nachgekommen, denn erst verspätet wurden die bereits für 2020 versprochenen 100 Milliarden jährlich für Klimafinanzierung bereitgestellt.
Es ist völlig klar, dass diese Summe unzureichend ist.
Außerdem ist völlig klar, dass diese Summe unzureichend ist. Einerseits wird der Anpassungsdruck in Folge der voranschreitenden Klimakrise immer größer und somit kostspieliger. Andererseits nehmen die Schäden und Verluste durch Klimakatastrophen immens zu. Und auch wenn der Umstieg auf erneuerbare Energien und die Steigerung von Energieeffizienz sich mittlerweile vielerorts wirtschaftlich lohnen, so erfordern diese Technologien hohe Anfangsinvestitionen. Schätzungen gehen davon aus, dass Entwicklungsländer für diese drei Bereiche mindestens eine Billion US-Dollar jährlich benötigen, während Klimaaktivistinnen und -aktivisten aufgrund der historischen Schuld der Industrieländer sogar fünf Billionen US-Dollar jährlich fordern.
Wenn also die Industrieländer eine rasche Minderung der Emissionen und eine Abkehr von fossilen Energien auch in den Entwicklungsländern fordern, so muss klar sein, dass dies direkt mit der Frage zusammenhängt, wie stark diese dabei unterstützt werden, um dieses Ziel zu erreichen. Und es leuchtet auch ein, dass der Globale Süden zu Recht wenig kooperativ ist, wenn hier keine verlässlichen und ausreichenden Zusagen gemacht werden.
Laut der Definition der UN-Klimarahmenkonvention von 1992 gelten viele Länder mit mittlerweile hohen Pro-Kopf-Emissionen und Pro-Kopf-Einkommen immer noch als Entwicklungsländer, etwa reiche Petrostaaten oder China.
Offiziell forderte die wichtige Verhandlungsgruppe der Entwicklungsländer (G77 und China) 1,3 Billionen US-Dollar jährlich bis 2035. Die Industrieländer haben jedoch, vermutlich aus Verhandlungstaktik, erst am letzten Verhandlungstag mit 250 Milliarden US-Dollar jährlich eine eigene Zahl für das globale Klimafinanzierungsziel auf den Tisch gelegt. Wichtig ist für viele Länder im Globalen Süden jedoch auch die Qualität der Klimafinanzierung. Sie sollte aus öffentlichen Mitteln und nicht aus privaten Geldern und Krediten bestehen. Denn dies treibt viele Länder in eine noch größere Schuldenkrise.
Daneben hat eine weitere Debatte um die Klimafinanzierung die Gemüter in Baku erhitzt. Denn laut der Definition der UN-Klimarahmenkonvention von 1992 gelten viele Länder mit mittlerweile hohen Pro-Kopf-Emissionen und Pro-Kopf-Einkommen immer noch als Entwicklungsländer, etwa reiche Petrostaaten oder China. Daher forderte vor allem die EU eine Verbreiterung der Geberbasis, die auch solche Länder verpflichtet, zur Klimafinanzierung beizutragen.
Die Fronten waren deshalb verhärtet und die COP29 drohte kurz vor Ende zu scheitern. Erst als die Verhandlungen am Samstag in die Verlängerung gingen, haben die Industrieländer ihr Angebot auf 300 Milliarden jährlich erhöht. Dies entspricht zwar einer Verdreifachung der bisherigen Summe, es deckt aber nur ein Viertel der geschätzten Kosten – und die Summe soll auch aus privaten Geldern bestehen können. Zwar wird das 1,3-Billionen-Ziel auch als Zielgröße erwähnt, jedoch ohne konkrete Verpflichtung. Zudem findet sich diesbezüglich auch der Verweis, dass diese höhere Summe sowohl durch Industrieländer als auch weitere Länder mobilisiert werden soll.
Für die Entwicklungsländer hieß es daher in letzter Minute: Take it or leave it. Die Industrieländer betonten dabei, dass die Chance auf einen Deal im nächsten Jahr noch schlechter sein werde. Zivilgesellschaftliche Akteure aus dem Climate Action Network forderten indes in einem offenen Brief die Länder aus dem Globalen Süden auf, die Verhandlungen ohne Abschluss zu verlassen.
Nach mehr als 30 Stunden Verlängerung kam es in den frühen Morgenstunden am Sonntag doch noch zu einem Abschluss der Verhandlungen. Viele Länder im Globalen Süden sind jedoch über das Ergebnis bitter enttäuscht. So hat der Gipfel zwar den Multilateralismus in letzter Minute gerettet. Das geschah jedoch auf Kosten der Entwicklungsländer, die nun bei der Bekämpfung der Klimakrise weiterhin ohne ausreichende Unterstützung zurechtkommen müssen. So geht weiteres Vertrauen zwischen Globalem Norden und Süden verloren, welches gerade in diesen geopolitisch schwierigen Zeiten dringend benötigt wird.
Welche Aspekte des Klimaschutzes kamen bei dieser COP zu kurz?
Zu Recht wurde der Klimagipfel in Baku von der Frage dominiert, wie viel Geld zukünftig für die Klimafinanzierung zur Verfügung steht. Dies ist eine wichtige Grundvoraussetzung für globale Klimagerechtigkeit. Mindestens genauso wichtig ist jedoch die Frage, wie die Bekämpfung der Klimakrise durch entsprechende qualitative Elemente sozial gerecht erfolgen kann. Auch hierzu gab es offizielle Verhandlungen, die jedoch von den Diskussionen um das globale Klimafinanzierungsziel überschattet wurden.
Bei den Verhandlungen zum Thema Gender gab es zu Beginn Rückschritte bei den Verhandlungen. Denn einige, vor allem arabische Staaten, lehnten die Formulierung ab, dass auch LGBTIQ-Rechte Erwähnung finden sollten. Hier kam es letztlich jedoch zu einem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen, der dezidiert menschenrechtsbasiert ist – ein wirklich allzu kleiner Hoffnungsschimmer auf dieser Klimakonferenz.
Mit dem Just Transition Work Program hat im letzten Jahr in Dubai zum ersten Mal die sozial gerechte Gestaltung der Transformation offiziell Eingang in die klimapolitischen Verhandlungen gefunden. Da Just Transition immer im lokalen Kontext betrachtet werden muss, war es zugegebenermaßen schwierig, hier zu einer Einigung zu kommen. Genauso gab es unterschiedliche Vorstellungen, wie unterschiedliche Akteursgruppen in den Prozess eingebunden werden sollen. Nichtsdestotrotz gab es gute Vorschläge, die Anknüpfungspunkte für die weitere Implementierung boten. Jedoch wurde das Just Transition Work Program von einigen Ländern als Faustpfand eingesetzt, um eigene Forderungen bei anderen Themen durchzusetzen. Insbesondere Saudi-Arabien hat hierbei eine extrem negative Rolle gespielt. Diese Verhandlungen wurden daher auf das nächste Jahr vertagt.
Die Zivilgesellschaft und die Gewerkschaften, die sich auf der Klimakonferenz unermüdlich für Just Transition und Klimagerechtigkeit eingesetzt haben, werden weiterhin dafür sorgen, dass diese Themen nicht untergehen. Das macht trotz der extrem enttäuschenden Ergebnisse aus Baku Hoffnung. Es bleibt zu hoffen, dass auch die COP30-Präsidentschaft in Brasilien das so sieht und diese Forderungen in den Mittelpunkt der nächsten Verhandlungen rückt.